Silvretta Juli 2010 - First Light am neuen 27" Dobson


die ersten Objekte nach der Dämmerung - im Hintergrund Milchstraße mit M 8 und M 24

Vor rund 13 Jahren kam ich das erste Mal mit großen Teleskopen der 30" Klasse in Kontakt. Auf Teleskoptreffen wurden diese monströsen Teleskope aufgebaut und bestaunt. Gezeigt wurde jedoch nur das Objekt M13M57, meist bei zu kleinen Vergrößerungen, schlechtem Seeing und unruhig wartenden Mitbeobachten am Ende der Schlange. Doch was vermag so ein Teleskop wirklich zu zeigen, wie hoch ist die Leistungsfähigkeit und wie weit die Grenzen des visuell Machbaren - Fragen, die mir bis zum heutigen Tag unbeantwortet blieben. Also blieb nur eins - das spannenden Abenteuer mit einem eigenen Teleskop selbst nachzuvollziehen.

Erste Nacht und First Light


letzte Sonnenstrahlen verschwinden - der neue 27" wird aufgebaut

"No risk no fun" ... nach dem Motto belade ich das Auto mit dem "frischen" 27" Dobson ... Fahrziel die Silvretta Hochalpenstraße. Bis dahin hatte ich lediglich Schwerpunkt und Fokus überprüft, einen "scharfen" Test unterm nächtlichen Firmament blieb bis dato aus, noch kein Objekt außer Mond wurde eingestellt.
Auf der Silvretta angekommen treffe ich mit Costa Lazzari, Michael Kohl, Rainer Mannoff, Ronald Stoyan, Klaus Veit und Thomas Jäger sechs gute Freunde, alle mit dem Ziel den beeindruckenden Sternhimmel fotografisch und visuell zu erleben - und die Nacht sieht gut aus. Perfekte Vorraussetzungen also, um ein gebührendes First Light zu "zelebrieren".

In der noch hellen Dämmerung baue ich zusammen mit Costa und Rainer auf. Der Himmel auf gut 2000m Meereshöhe wirkt noch strahlblau. Die Sonne ist bereits hinter den Bergen verschwunden und beleuchtet die ihr gegenüberliegenden Berge rötlich. Es ist still, nur die entfernten Wasserfälle des Silvrettastausee sind zu hören. Das mich um gut ein Meter überragende Teleskop steht in nur wenigen Minuten, die Nachführung schnurrt leise vor sich hin und scheint zu laufen, die Justierung passt ... der erste Moment rückt näher, die Spannung steigt...

Auch die anderen wagen ein Blick durch das Okular und sind ebenfalls begeistert. Obwohl ich mit dem neuen Teleskop und den visuellen Eindrücken voll beschäftigt bin, darf eine Skizze des ersten Objektes nicht fehlen. Danach sind ein paar "Standartkerzen" fällig, von denen ich in den nächsten Monaten sicher noch mehr besuchen werde.

Nach zwei so bekannten wie beeindruckenden Objekte schweife ich in die Objektgruppe der Kugelsternhaufen ab. Aber nicht M 13 oder M 5 sollen das Ziel sein, eher zwei Kandidaten, mit denen ich noch eine offene Rechnung zu begleichen habe.

Der Himmel zeigt sich beeindruckend. Trotz Milchstraße nahe Zenit zeigt das SQM Werte von knapp 21.7. Es ist extrem trocken, kleine Lichtblitze als Funkenschlag bestätigen dies. Die Temperaturen sind für astronomische Verhältnisse mit 6°C angenehm, es geht nur wenig Wind. Ich gönne mir eine kleine Pause und genieße den Anblick. Bis zum Horizont reicht die wild strukturierte Milchstraße, M 7 kratzt die Bergkämme, M 8 "blendet" als kleines Leuchtfeuer unterhalb der so hellen Schildwolke. Ich schraube den Filter ins Okular und begebe mich auf Tour in Richtung Schütze.


südliche Milchstraße mit dem auch für das Auge gut sichtbaren Pfeifennebel, links daneben M 8, knapp über Berg M 6 und M 7

Den Nebelfilter noch im Okular wage ich mich an ein Objekt, welches bekannt dafür ist bei exzellenten Bedingungen durch große Teleskope Begeisterungsrufe hervorzurufen ...

Aus Richtung der benachbarten Teleskope vernehme ich laute, nicht zuordenbare Rufe. Klaus versucht einen Fuchs zu verjagen. Dieser extrem dreiste Kerl bewegt sich wie selbstverständlich zwischen den Teleskopen und springt sogar in die geöffnete Heckklappe meines Autos. Scheinbar scheinen die Schokokekse einen enormen Reiz auf ihn auszuüben ... Pech nur, dass diese bereits durch uns Zweibeiner verspeist wurden. Zum Glück erreicht er nicht die etwas höher stehenden Okulare und verursacht nur "Tretspuren" auf meinen Notizblättern. Etwas verdutzt versuchen wir den Fuchs mit sämtlichen Mitteln zu verjagen, denn für die Teleskope stellt er ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Erst nach mehreren Minuten gelingt uns die Hatz und schimpfend, sowie Kekslos verlässt er den Platz.

Langsam erhellt sich der Osthorizont. Scheinbar geht die nur noch schmale Mondsichel auf.

Am immer heller werdenden Osthorizont geht der Mond auf. Wie oft in den Bergen sichtbar, bewegt sich zunächst der Erdschein über die Felskante, bevor die eigentlich beleuchtete Seite aufgeht. Eine immer wieder aufs Neue beeindruckende Beobachtung. Der schmale Mond blendet enorm, wir brechen den Beobachtung ab.

Die erste Nacht mit dem neuen Teleskop ist vorbei. Sie war genial. Nicht unbedingt selbstverständlich hat das Teleskop, welches vorher nicht weiter getestet wurde seinen Dienst mehr als gut getan. Vor dem Abbau genießen wir noch unter der nun auch durch die Dämmerung kontrastarmen Milchstraße ein "verdientes" Bier und schwelgen von der gigantischen Nacht.

Am Tag wandern wir zur Wiesbadener Hütte, ein "Klassiker" beim Silvrettaaufenthalt. Besonders gut dort der Hopfentee.


v.l.n.r.: Thomas Jäger, Ronald Stoyan, Rainer Mannoff, Costa Lazzari, meine Wenigkeit, Michael Kohl und Klaus Veit

Zweite Nacht


Rainer beansprucht den 27" für sich, wird aber wieder an seinen 18" im Hintergrund verwiesen :-)

Pünktlich zur zweiten Nacht trifft Matthias Kronberger ein. Bekannt geworden durch seine Entdeckungen von Offenen Sternhaufen und Planetarische Nebel - wie üblich nach ihm benannt ... zu dem Thema aber später mehr. Beobachten tun wir wie am Vortag mit sechs Leuten am großen Parkplatz unterhalb des Silvrettahauses, der genug Platz für Teleskope und Autos bietet. Es kommt ein wenig Teleskoptreffenfeeling auf ... viel Spaß, gute Freunde und toller Himmel auf der Silvretta. Michael und Thomas fotografieren oberhalb des Piz Buin Hotels.

Wie am Vortag scheint die Nacht sehr gut zu werden. Die Dämmerung ist wolkenlos, die Farbe und Stille typisch für hochalpine Abende. Nach dem gutem Abendessen begeben wir uns zum Platz und warten auf die astronomische Dämmerung. Der Wind ist fast eingeschlafen und mit 10°C ist es angenehm warm. Rainer ist bereits am zeichnen als ich mit ...

Nach dem hellen Einstieg weiter mit einem zwar schwächeren, aber nicht uninteressanteren Objekt - ich stelle eine Ringgalaxie ein.

Matthias kommt mit einem DSS Ausdruck vorbei und möchte einen schwachen Supernovaüberrest versuchen. Ronald gesellt sich dazu . Er kennt das Objekt und stuft dieses als äußerst schwierig ein. Einigen Stellen blieben sogar ihm als SNR Experte und Geräten bis 20" verborgen, wir versuchen uns an ...

Der Himmel ist wieder einmal beeindruckend. Der Pfeifennebel ist ohne Schwierigkeiten visuell zu sehen, die Milchstraße wild strukturiert. Das SQM läuft wieder auf Werte von 21,7.


Ein Traum - Teleskope im Einsatz unter einem fantastischen Himmelzelt in der Bergwelt der Silvretta

Rainer widmete sich mit 18" einige Zeit zeichnerisch einem der bekanntesten Wolf-Rayet Nebel des Himmels. Die Ergebnisse sprechen für den mittlerweile geübten Zeichner, dem exzellenten Himmel und der getunten Nachführung. Eine gute Idee und ein tolles Objekt wie ich finde ...

"Bock auf eine Erstbeobachtung?" Matthias steht neben mir und hält zwei Aufsuchkarten bereit. Neben einigen Mitgliedern der "Deep Sky Hunters" ist gerade Matthias für seine "Kronberger PN" und "Kronberger OC" bekannt. Einige konnte ich bereits selbst beobachten bzw. sogar erst beobachten. Matthias hat ein brandneues Objekt dabei, welches er erst am 20 Juni, also vor knapp 2 Wochen auf den fotografischen POSS Platten entdeckt hat und dadurch noch keine endgültige Bezeichnung trägt. Im eigenen 15" konnte er es zuvor nicht einwandfrei identifizieren.

Die etwas aufwendigeren Objekte fordern ihren Tribut. Gegen 3.00 Uhr ist am Osthorizont bereits eine Aufhellung zu erkennen. Diesmal kommt jedoch die Dämmerung als erstes. Die SQM Werte rutschen recht schnell von wiederholt 21,68 bei Milchstraße im Zenit auf 21,4. Mir bleibt nur noch Zeit für maximal ein Objekt.

Während die anderen bereits abbauen stelle ich noch ein paar große und helle Kugelsternhaufen ein. Messier 13 und 15 dürfen da natürlich nicht fehlen. Diese enttäuschen jedoch etwas, da das entsprechende Seeing für das Ausspielen des 27" fehlt. Noch schnell den Monddurchgang am unruhigen Jupiter beobachtet, der auf Grund des Fehlens eines Bandes ungewöhnlich erscheint und dann warten auf den Mondaufgang.


links Ronald mit 60mm Tak, rechts ich mit dem neuen 690mm Dobson

Der Stress der Nacht hat sich bei allen gelegt. Entspannt hocken wir auf unseren Stühlen und warten gespannt auf den Mondaufgang. Wieder geht hinter der Felswand der Erdschatten zuerst auf, dann folgen beiden Hörnerspitzen. Ein letzten Mal wird auf die gelungene Nacht angestoßen. Bevor der Abbau ansteht, lasse ich die Dämmerungseindrücke noch ein wenig auf mich wirken.
Als alle anderen den Platz verlassen haben, bekomme ich unerwarteten Besuch. Der Fuchs ist wieder am Platz und scheint sich über irgendetwas aufzuregen. Bellend zieht er von Wohnmobil zu Wohnmobil und fängt dann schließlich auch mich beim Abbau an zu nerven. Ich lasse es nicht darauf ankommen herauszufinden, ob der Fuchs krank oder einfach nur rotzfrech ist - und lasse fliegende Steine sprechen, die schneller als 4 Fuchsbeine sind. Ein letzter Blick auf die noch dunklen Bergspitzen und ein Abschiedgruß an die Bergwelt der Silvretta ... ich komme wieder.