Nacht 13 - 27.06. - 28.06.09

Das verspätetet Frühstück gegen 11.00 Uhr zeigt uns die Situation, unter der wir in der letzten Nacht gesessen und versucht haben zu Beobachten - Zirren, die den kompletten Himmel bedecken. Für unsere letzte bevorstehende Nacht sieht es nicht gut aus. Wir verdrängen den Gedanken.

Unsere volle Konzentration liegt in dem geplanten Ausflug zum Köcherbaumwald. Starten tun wir am frühen Nachmittag. Unvorbereitet erwarte ich aus dem Namen abgeleitet ein Wald aus Köcherbäumen. Doch der für mich eigentlich spektakuläre und vollkommen unerwartete Teil überrascht uns alle. Der Köcherbauwald liegt noch auf dem Farmgelände. Wir fahren daher zunächst auf die "Hauptstraße", dem gut geschotterten Pad, überqueren den Gamsbergpass unweit der Einbiegung zur Hakos Farm und fahren danach noch wenige Kilometer bergab. Dann biegt Friedhelm plötzlich links ab, wir sehen aber weder einen Pad noch irgendwelche wie Wege aussehenden Strecken - das Abendteuer beginnt. Die Untersetzung und alle zur Verfügung stehenden Sperren werden eingelegt, es geht ins Nichts und das Nichts ist verdammt steil. Wir fahren mit Schritttempo in der Wildnis, über Felsen und Buschwerk. Der "Weg" ist nur angedeutet. Wir haben alle Hände voll zu tun uns an den offenen "Sitzkasten" der auf den Jeep montiert ist festzuhalten. Fotografieren ist nur unter der Gefahr des Kameraverlustes möglich - einige von uns versuchen es trotzdem, aber die Kameras überleben es vollzählig. Ich erinnere mich jetzt plötzlich an Rudis Worte "...blaue Flecke...schweres Gelände", hatte aber seinerzeit die Warnung verdrängt, da mir wohl die Verknüpfung der Worten "schweres Gelände" und "Köcherbaumwald" nicht gelang.


nichts für Tiefergelegte, vor uns gut 30% Steigung und schwerstes Gelände

Nach gut einer halben Stunde spektakulärer Fahrt kommen wir (Fahrer + Auto + Insassen) heil in einer Art Tal an. Während der Fahrt konnten wir bereits erste Köcherbäume erkennen. Friedhelm stellt das Auto ab, wir steigen ab, aber immer noch kein Anzeichen eines Waldes. Dieser entpuppt sich für Naturunkundige wie mich als zugänglich gemachter Bergrücken, an dem einzelne Köcherbäume stehen. Wir gehen zunächst steil auf einem kleinen Pfad bergan. Bald zeigen sich die ersten Bäume.


ein einzeln stehender Köcherbaum auf felsigen Untergrund

Friedhelm erklärt uns an einem der größeren Exemplare was wir da eigentlich vor uns haben. Der Köcherbaum gehört streng genommen nicht zu den Bäumen, da er kein Holz im eigentlichen Sinne ausbildet. Das feste Stammmaterial ähnelt äußerlich zwar Holz, ist aber eher mit einer fein strukturierten Wabenstruktur zu vergleichen. Köcherbäume sind vielmehr eine Pflanzenart der Aloen (wie z.B. das bekannte Aloe Vera, oder das Aloa He). Erstaunlicherweise bilden sie kaum Wurzeln aus und wachsen auf nacktem Fels, da sie ein Großteil der benötigten Feuchtigkeit über den Stamm und den rosettenförmig angeordneten Blätter aufnehmen.


Friedl behauptet das Gamsbergplateau wäre schief - ich tippe eher auf die "Russenoptik"

Nachdem wir einige Bäume besichtigen, kehren wir wieder steil in das vertrocknete Tal hinab. Unten sind noch einige teils gefüllte Wasserlachen zu sehen. In den ausgetrockneten Löchern finden wir einige Knochen. Es passiert hier des Öfteren, dass durstige Tiere in die Lachen rutschen und sich nicht mehr aus eigener Kraft daraus befreien können.


Erdschatten am Abend (Klick für Videosequenz 501KB)

Erfreulich für uns ist die Wolkenentwicklung. Die Zirren vom Morgen verzogen sich im Laufe des Tages vollständig. Friedl und ich begeben uns auf eine Anhöhe, um unser letzten abendlichen Erdschatten zu sehen. Oben ist es wieder einmal absolut still - eine tolle Stimmung umgibt uns. Nach Sonnenuntergang und während der Erdschattenentwicklung fallen uns wie schon an den vorigen Tagen rötliche Streifen am Himmel auf, die wir zunächst als hohe Zirren deuten. Grund der Färbung liegt aber wohl eher an der Asche, die nach dem Ausbruch des russischen Sarychev-Vulkans in der Atmosphäre verteilt wurde.


Dämmerungsfarben wie sie sein sollen

Nach Sonnenuntergang bilden sich wieder intensive rötliche Töne. Der Mond steht schon hoch und "stört" unsere Deep Sky Ambitionen bereits massiv.

Peter und Steffen haben bereits den 24" abgedeckt und schauen sich den Mond an - was für ein Frevel. Die positiven Reaktionen deutet aber auf gutes Seeing hin. Während sich die anderen zum Esstisch begeben, es ist bereits 18.30 Uhr und dunkel, prüfe ich kurz das Seeing am Homunkulus - Nebel. Und tatsächlich, die beiden haben Recht. Die Luft ist zwar nicht so perfekt ruhig wie an den ersten Tagen nach unserer Ankunft, kann sich aber durchaus sehen lassen. Ich vergrößere bis knapp 1000x und kann mich kaum vom Okular trennen. Ich entscheide Essen Essen sein zu lassen und kümmere mich etwas intensiver um das Objekt. Schließlich fertige ich vom Gesehenen eine Zeichnung an.

Der Hunger erinnert mich an das Abendessen. Nachdem ich die Hauptdetails erfasst und skizziert habe, begebe ich mich an den Esstisch, freundlicherweise finde ich noch genug vor. Nach dem Essen ruhen wir in den Zimmern auf Grund des hellen Mondes noch ein wenig. Gegen 22.00 Uhr starten wir mit den Beobachtungen.

Ich entscheide mich eine längst überflüssige Tour mit dem Fujinon 25x150 durch die Milchstraße zu starten. Das Abendprogramm für das 12" Teleskop ist bereits geschafft, sodass ich mir Zeit lassen kann. Ich baue das schwere Instrument wieder südlich der Farmmauer auf. Auf Grund des Windes bin ich allein. Dem schweren Großfernglas stört dies jedoch glücklicherweise nicht. Ich fühle mich ein wenig in die Jahre 1999 - 2003 zurückversetzt, als ich mit einem ähnlichen Instrument, einem 20x125 Großfernglas, so einige Objekte beobachten und zeichnen konnte. Trotz des deutlich schwereren Aufbaus vom Fujinon komme ich sofort gut klar. Als sehr bequem finde ich das Kurbelstativ, welches zusammen mit dem 45° Einblick stets bequeme Einblicke ermöglicht.

Ich fahre diesmal keine einzelnen Objekte an, sondern fahre Schwenk für Schwenk (oder soll ich besser Sweep dazu sagen) die Milchstraße ab. Beginnen tue ich beim untergehenden Sternbild Achterschiff und bewege mich über Schiffskiel und Skorpion bis zu den südlichen Bereichen des Schützen. Notieren tue ich mir bei den Schwenks nur besonders schöne und mir auffallende Objekte.

- Zunächst fällt der wunderschöne Kontrast zwischen den aus hellen Sternen bestehenden OC der Südlichen Plejaden IC 2602 und dem 1° südlich befindlichen OC Mel 101 auf,
- weiter nördlich fällt der Doppelhaufen aus dem großen OC IC 2714 und dem kleinen, nur ansatzweise aufzulösenden OC Mel 105 auf,
- im Bereis des Kreuz des Südens sticht ein auffälliger Dunkelnebel hervor, der sich südlich von Eta Crux befindet,
- mit dem Fernglas wirkt der GC NGC 4372 wie ein Wattebausch, der an einem 7mag Stern hängt - davon ausgehend ist ein langer Dunkelnebel zu beobachten,
- weiter entlang der Milchstraße fällt unweit von Gamma Triangulum Australis der orange X Triangulum Australis auf,
- ihm folgt das Duo aus den beiden OC NGC 5822, in dem interessante Sternketten zu beobachten sind und dem kleineren, aber sehr reichen OC NGC 5823,
- dazwischen, etwas südlich ist eine weitere, lose Sterngruppe zu sehen,
- ohne Bezeichnung fallen 1° nordwestlich von Zeta Triangulum Australis zwei parallele Sternketten auf, die sich nach Norden hin verjüngen,
- mit NGC 6067 fällt ein sehr reicher OC in traumhafter Sternumgebung auf,
- der ebenfalls sehr reiche OC NGC 6259 punktet durch seine weitläufige Verteilung von schwachen Sternen, die mit der Milchstraße zu verschmelzen scheinen,
- der OC NGC 6281 sieht mit seiner pfeilförmigen Sternverteilung ungewöhnlich aus,
- in seiner Nachbarschaft befindet sich der Dunkelnebel Barnard 50, sowie weitere Dunkelnebel in dieser wunderbaren Gegend,
- besonders schön ist der "Finger des Großen E", der schon mit bloßem Auge zu erkennen ist und sich im Fernglas über 6° abfahren lässt,
- dagegen wirkt der Dunkelnebel Barnard 87, auch Parrots Head genannt wie eine Qualquappe, deren Kopf sich um ein Stern windet,
- der kleine Ink Spot - Barnard 86 ist als schwarzes Loch neben den kleinen OC NGC 6520 zu erkennen,
- bereits im Schützen angekommen wirkt die Kombination aus den beiden 1,5° entfernten Nebel Messier 8 und Messier 20 als ein für dieses Fernglas wunderschönes Paar am Himmel, besonders wenn diese am Namibianischen Himmel durch den Zenit laufen

Es ist bereits nach Mitternacht. Die Milchstraße habe ich geschafft und bin glücklich, dies auch mit dem Fernglas getan zu haben. Die Eindrücke und Ansichten waren überwältigend. Die Blicke noch im Kopf baue ich das Fernglas ab und geselle mich zu den anderen, die auch gerade eine Pause im Farmhaus machen. Danach trage ich den 12" auf den Platz des Fernglases. Der Wind hat nachgelassen, sodass einer Beobachtung in der zweiten Nachthälfte nichts mehr entgegensteht. Noch bleiben gut 3 Stunden Südsternhimmel, wir nutzen dies bis zur letzten Minute.

Auf meiner Liste stehen nur noch wenige Morgensternbilder. Ich fange beim Sternbild Reticulum an - dem Netz. Das kleine Sternbild ist eines der wenigen, die als solches in dem Bereich gut zu erkennen sind. 3 hellere Sterne und eine Sterngruppe formen ein kleines, spitzes Parallelogramm.

Mir ist nach ein paar hellen Objekten. Ideal dafür ist das voller Highlights gespickte Sternbild Sculptor - der Bildhauer, der schon einiges an Höhe gewonnen hat.

Nach dem Ausflug geht es weiter im Sternbild Horologium - der Pendeluhr. Das fast sternleere Sternbild zeichnet sich aber durch viele Deep Sky Objekte, gerade Galaxien aus.

Die Zeit verläuft wie im Flug, es ist bereits kurz vor 5.00 Uhr. Alle Objekte werde ich wohl nicht mehr schaffen. So konzentriere ich mich noch auf zwei fett gedruckte, für mich unbedingt zu besuchende Objekte. Das erste liegt im Sternbild Eridanus.

Letztes Objekt und letztes Sternbild soll Dorado - der Schwertfisch werden. So spektakulär sich der Sternbildname auch anhört, von einem Schwertfisch ist mit einer Linie aus 3,3mag - 4.3mag hellen Sternen auch mit viel Fantasie nichts auszumachen. Bekannter ist das Sternbild wohl durch die Große Magellanische Wolke, die zum größten Teil in diesem Sternbild liegt.

Es ist schon fast 5.30 Uhr. Die Dämmerung müsste jeden Moment überhand gewinnen. Doch einige Objekte liegen mir noch am Herzen. Ich begebe mich zum 24", an den Friedl und Peter hantieren. Auch bei ihnen ist bereits die nächtliche Anspannung abgefallen. Doch noch ist nicht Schluss. Ich schnappe mir die Sternkarte und stelle mit...

Es wird immer heller, die Uhr ist nicht mehr weit von 6.00 Uhr entfernt. Wir müssen aufgeben. Die Eindrücke der Nacht waren wieder einmal großartig. Für einige von uns war es die beste Nacht des Aufenthaltes. Mich haben zwar die Nächte am 24" mehr beeindruckt, doch verabschiede ich mich aus dieser ebenfalls sehr zufrieden - es hat einfach Spaß gemacht. Die Müdigkeit überdeckt etwas den Wehmut, dass wir den Südsternhimmel so schnell nicht mehr sehen würden. Diese Einsicht kommt erst später, in einer ruhigeren Minute auf...

zum letzten Tag