Der Morgen startet bereits wolkenlos und
verheißt gutes für die bevorstehende besondere Nacht - diesmal mit 24"
Öffnung. Doch zunächst geht
es nach dem Frühstück und der Auswertung der vergangenen Nacht zum HESS Projekt.
Unweit der Farm, Fahrzeit etwa 45 Minuten, stehen 4 der größten derzeit weltweit
anzutreffenden Tscherenkov Teleskope, ein
Weiteres ist im Bau. Bevor uns Friedhelm auf dem Gelände zu den Teleskopen führt
erläutert er verständlich den Einsatzzweck und die Funktionsweise der Teleskope.
Diese futuristisch aussehenden Konstruktionen nehmen das Tscherenkovlicht - sehr
kurze blaue Lichtblitze auf. Diese entstehen, wenn hochenergetische Gammastrahlung
auf die Atmosphäre trifft. Die Blitze stellen also einen indirektes
Nachweis der Strahlung dar.
Achim und Hubert am Fuße eines der 4 Teleskope vom HESS Projekt
Die imposanten, 60 Tonnen schwerer
Teleskopkonstruktionen sind mit jeweils 382 Kugelspiegel a 60cm
Durchmesser bestückt, was eine Fläche von etwa 108m² ergibt. Das gesammelte Licht wird von einer
mit 960 lichtempfindlichen Detektoren ausgestatteten Spezialkamera registriert und vollautomatisch von der internen
Software ausgewertet. Interessanterweise sind zum Betrieb der Anlage vor Ort mehr
Elektrotechniker als Astronomen beschäftigt.
Kameravergleich, links Canon (~500g) gehalten von Bernd, rechts HESS (~800000g)
gehalten von der ins Schutzgebäude hineinragenden Stahlkonstruktion
Auf der Heimfahrt bekommen wir das erste
Mal ein Kudu zu Gesicht. Die bis zu 250 Kilogramm schwere Antilopenart soll im
Farmgebiet oft vorkommen. Lediglich zum Eigenbedarf werden diese von den Farmern
geschossen. Die träge aussehenden Tiere sind ungemein sprunggewaltig. Wir konnten
uns davon life überzeugen, als ein Junges den etwa 1,2 Meter hohen Farmzaun
aus dem Stand übersprang.
endlich bekommen wir es zu sehen - ein Kudu, benannt nach unserem Zimmer
Am Abend ist es immer noch wolkenlos. Die
tief stehende Sonne beleuchtet den Gamsberg in rötlichen Tönen. Den Mond können
wir jetzt bereits problemlos am Taghimmel als schmale Sichel ausmachen. Stören
tut er jedoch noch kaum.
Gamsberg im Abendlicht, davor ehemalige Schweineställe und IAS Sternwarte
Heute ist eine besondere Nacht, Friedl
und ich haben die Möglichkeit den 24" Dobson von ICS zu nutzen, welcher auf
der Farm zu mieten ist. Das Gerät soll den Horizont an Objekten dramatisch
erweitern, was es auch eindrucksvoll unter Beweis stellen soll. Im Vorfeld hatten wir uns gemeinsam auf eine
Objektliste geeinigt, die aus unser beiden Wunschobjekten bestand. Geordnet war
diese nach Priorität und Zeit, ausgelegt für 2 Nächte. Ich persönlich verzichte auf die typisch lang andauernde Beobachtungen, um exakte
Zeichnungen von speziellen Objekten anzufertigen und beschränkte mich auf
Skizzen, von denen einige hier im Bericht auch zu sehen sind. Die Spannung und Vorfreude
auf das Gerät ist groß...wir wurden nicht enttäuscht.
Für das erstes Objekt fiel unsere
Auswahl auf CG 4,
besser bekannt unter den Namen Gottes Hand. Wer dieses Objekt nicht
kennt, bitte nach entsprechenden Bilder goggeln. Angekommen an der Stelle
zeigt sich schnell die gut durchgezeichnete, etwa 3:1 elongierte Galaxie PGC
21338. Nach W hin bemerken wir zunächst einen dunklen Bereich, ehe nach 0,5°
eine auf Filter reagierende hellere und große Aufhellung folgt. Innerhalb
der auf den ersten Blick als Dunkelnebel erscheinenden Struktur zeigt sich schnell im 17mm Ethos eine
längliche, milchig wirkende Aufhellung, deren lange Kanten gut verfolgt
werden können. Am östlichen Ende, kurz vor der Galaxie dann eine
Verdickung mit Ansatz von Struktur - die Hand Gottes - wir sind sofort
begeistert, ein genialer Einstieg.
Es folgt die Ringgalaxie ESO
34-11. Hier ist neben dem unregelmäßig hellen Ring das versetzte Zentrum
innerhalb, sowie einige Begleiter außerhalb visuell gut nachvollziehbar.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Es folgt der PN Longmore 5.
Dieser ist als großer Ring bereits ohne Filter problemlos zu sehen.
Wunderschön anzusehen sind die vielen Sterne, die sich direkt innerhalb des
Rings befinden.
Danach ein kurzer Schwenk zu Messier 83.
Uns zieht es fast die Schuhe aus. Unbeschreiblich was dort an Struktur zu
sehen ist. Man reduziere eine gute CCD Aufnahme auf SW und man hat eine
Vorstellung was zu sehen ist. Wir sind vom Life Bild tief beeindruckt, eine
Gefühl, was sich unserer Meinung nach mit keinem Astrofoto erreichen lässt.
Nächstes Objekt, nächste
Objektklasse. Mit dem Boomerang Nebel stellen wir einen
Protoplanetarische Nebel ein. Bei knapp 700x erkennen wir die nach beiden
Seiten auffächernde Struktur, die sich ausgehend vom hellen sterbenden Stern
herausbildet.
Kurzes durchschnaufen. Ein Uhrenabgleich
mit unserer strengen Objektliste lässt uns sehr positiv stimmen. Wir
funktionieren als Team im Zusammenspiel mit dem Teleskop hervorragend. Die
Objekte sind zügig abwechselnd eingestellt, die Ergebnisse sind jedes Mal aufs
Neue beeindruckend. Die Pause währt kurz, dass nächste Objekt soll uns im
besonderen Maße in seinen Bann ziehen. Wir schwenken
Richtung Nordhimmel, immerhin bis auf -19° Deklination im Sternbild Raabe.
NGC 4038 und NGC 4039,
wegen ihrer Gezeitenschweife besser bekannt unter den Namen Antennen
wird unser nächstes Ziel. Genau genommen sind es nicht die nach einer
kosmischen Kollision stark strukturierten Galaxienkörper, sondern die als Antennen
bezeichneten Gezeitenschweife, auf die wir
es abgesehen haben. Diese zu beobachten ist uns auch nach etlichen Versuchen
unter Einsatz von mittleren Öffnungen in den
Hochalpen nie gelungen. Doch heute ist der Tag. Zunächst ist nichts zu
sehen - wie zu erwarten sind die flächenschwachen Schweife wenn, dann nur
sehr schwach zu erkennen. Im Abgleich mit einem DSS Ausdruck kommt Licht ins
Dunkle. Sehr schnell haben wir den NO Arm visuell erfasst und von der
täuschenden Sterngruppe getrennt. Auch der etwas längere SW Arm ist auf
kompletter Länge zu verfolgen. Insgesamt wirkt dieser etwas schwächer, ist
aber indirekt problemlos zu halten und zu verfolgen. Wir sind Baff und können es kaum glauben, die
Beobachtungen sind aber sicher und klar nachzuvollziehen, was Peter
bestätigt.
Mein Sonderwunsch Nummer 1 war eine
Polarringgalaxie, ein Produkt aus einer Kollision und Verschmelzung beider
Galaxien. Dabei reichert sich das Material einer der Galaxie senkrecht zur anderen,
quasi über deren Pol an.
Und an NGC 4650A ist diesen auch
visuell nachzuvollziehen. Es zeigt sich ein zentraler, 3:2 elongierter
hellerer Teil. Darauf senkrecht aufgesetzt ist der schwächere Polarring mit
jeweils ca. 0,5' langen Ausläufern zu sehen, wobei am NW Ringabschnitt am
Ende noch eine Aufhellung zu sehen ist, die auf einen besonders massiven
Sternknoten hinweist
zum Vergrößern auf Bild klicken
Das nächste Objekt hält eine weitere
Besonderheit für uns parat. Es wird nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit die
erste visuelle Detektion des Objektes überhaupt, sicher eine der spannendsten
Disziplinen der visuellen Beobachtung überhaupt. Ich nahm 2 Tipps von Matthias
Kronberger, ein Experte auf dem Gebiet der Neuentdeckungen mit nach Namibia. Die
jeweils zu erwartenden Erstsichtungen teilen wir uns auf, so wie mit der
nächtlichen Schokolade seit Jahren stets praktiziert. Ich
war an der Reihe.
PGC 49877, zunächst als eine Galaxie
aus automatischer Plattensuche katalogisiert entpuppte sich diese vor kurzen als
ein PN. Im 24" ist dieses Objekt überraschenderweise zwar schwach aber
bereits ohne Filter zu
sehen. Reagieren tut es aber dennoch positiv auf UHC und [OIII], was die Fehlklassifikation
aufzeigt. Mit Filter ist dies Objekt zu unserer Überraschung so hell,
dass sogar Struktur auszumachen ist.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Weiter mit ein paar spannenden, mal mehr,
mal weniger obskuren Einzelobjekten, die wir auf der Liste haben.
NGC 6337 zeigt sich als auffälliger
Ring mit Struktur und Einzelsternen. Was 12" Öffnung nicht zeigte kann das
Teleskop mit Leichtigkeit, die Trennung der innerhalb des PN liegenden
Sternkette in Einzelsterne, auch wenn dass Seeing nicht optimal ist.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Westerlund 1, der bereits
erwähnte und visuell mit 12" und 17" anvisierte (siehe 17.06.) massereiche
OC zeigt sich diesmal positiv als schwache, leicht gemottelte Fläche, aus
der immer wieder Einzelsterne herausblitzen - na also, es geht doch.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Nach den Versuchen mit 12" und 17" (siehe
21.06.) an den schwachen Kugelsternhaufen des Terzan - Kataloges möchte ich
nun die vermeintlich schwierigen Exemplare mit 24" anfahren.
Terzan 4 zeigt sich uns
nicht. An der Stelle ist zwar ein schwacher 15mag Vordergrundstern zu sehen,
jedoch keinerlei Aufhellung eines Kugelsternhaufens.
Etwas besser ergeht es uns mit
Terzan 6. Wir sehen zusammen eine sehr schwache kleine Fläche ca. 50%
der Zeit aufblitzen und sind uns auf Grund der richtigen Position und der
Doppelbeobachtung mit einer positiven Sichtung sicher.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Einfacher ist diese Entscheidung bei
Terzan 9. Die kleine, aber klar flächige Aufhellung kann sogar knapp
direkt gehalten werden. Es zeigt sich jedoch keine Konzentration oder
Einzelsterne.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Terzan 10 verbuchen wir
wieder als negative Sichtung. Zwar fällt uns in der unmittelbaren Nähe ein
schwacher Doppelstern auf, eine Fläche an der Stelle des GC können wir aber
bestenfalls erahnen, nicht aber sicher sichten.
Terzan 11 ist wieder
einfacher. Das einzige, was sich vom GC zeigt ist eine auch auf Fotografien
dominante Sterngruppe am NO Rand des GC. Dieser erscheint bei hoher
Vergrößerung als flächige Aufhellung, vom Rest des GC ist aber nichts zu
sehen.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Wir haben uns eine Pause verdient. Alle
Terzans sind abgehakt, wir können uns anderen Objekten widmen. Dies aber erst
nach einer Tasse heißem Tee.
Nach der Pause steht mit IC 5173,
auch das Südliche Integralzeichen genannt eine weitere Galaxie an. Es
zeigt sich eine 1:5 gestreckte Galaxie, wobei das NO Ende leicht zu knicken
scheint. Der Knick ist aber deutlich schwieriger erkennbar ist, als an seinen Nordkompagnon
UGC 3697.
Wozu das hervorragend funktionierende
Teleskop im Stande ist zeigt sich am nächsten Objekt, ebenfalls schon mit 12"
und 17" ohne Erfolg beobachtet.
Der Tucana Dwarf zeigt sich
diesmal zwar immer noch schwer, aber deutlich indirekt zu halten als 3:2
elongierte strukturlose Aufhellung.
In unserem Zimmer hängt seit Tagen eine
Milka Schokolade an der Wand. Sie ist Bestandteil eines Wettbewerbes und soll als
Preis an den Besten weitergegeben. In der außer Schokolade an nichts mangelnder
Kost der Farm ein begehrtes Gut. Am Wettbewerb nehmen Achim, Friedl und ich
teil, es geht um...
...die Speichen der
Cartwheelgalaxie. Noch von Barabara Wilson und Larry Mitchel als Objekt
Nummer 17 in ihrer 100 Objekte umfassenden Liste AINTNO 100 (The Association
of Invisible Nebulae and Things Nobody Observes = Liste von nicht sichtbaren
Objekten und Dingen die niemand beobachtet) aufgenommen genau das richtige
für uns. Die Cartwheel Galaxie als solches ist als einfacher, etwas ovaler
Ring mit unterschiedliche hellen Ringfragmenten zu sehen, zusammen mit ihren
direkten Begleitern. Zu den Speichen. Friedl gibt im Vorfeld auf, zu sehr
hat er sich das Bild für den Wettbewerb gemerkt gehabt. Achim und ich geben
alles, doch zugegeben sehen wir nichts definitives. Wir skizzieren zwar
Speichen, die aber eher als Zufallstreffer zu werten sind, um bei einem
Glückstreffer die Schokolade
allein abgreifen zu können. Der nächtliche Hunger zwingt uns zu einem
unabhängigen Abgleich der Ergebnisse und der Erkenntnis, dass niemand
mit den Speichen richtig lag. Einzig die Stelle an der sich keine Speiche im
inneren des Ring befindet skizziere ich als dunkle Stelle exakt lagerichtig. Die Schokolade wird daher gedrittelt. Doch wir hoffen stark,
dass ICS bis zu unseren nächsten Aufenthalt einen 30" in Namibia postiert hat
- dann wiederholen wir Objekt 17 mit Sicherheit.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Als nächstes folgt wieder ein "normales"
Objekt, jedoch mit abnormalen Eigenschaften.
Die Galaxie NGC 1291 weist eine
ungewöhnliche Kombination aus einer sich im inneren Bereich befindlichen
hellen
Balkengalaxie mit einem schwächeren äußeren Ring. Morphologisch betrachtet
stellt sie eine Entwicklungsform zwischen einer Linsen- und Spiralgalaxie
dar. Ungeachtet der wissenschaftlichen Betrachtungsweise ist der äußere Ring
visuell tatsächlich relativ einfach zu verfolgen. Im Innenbereich befindet
sich eine klarer Balken.
zum Vergrößern auf Bild klicken
Der eher spaßig durchgeführte Wettbewerb hat
doch einiges an Zeit und Kraft gekostet. Die Dämmerung naht mit großen
Schritten. Aufgewühlt von den viele spektakulären Objekten und zufrieden mit der
bisherigen Ausbeute lassen wir es mit Spezialspezial gut sein und widmen unsere
Aufmerksamkeit
noch ein paar Highlights des Südhimmels.
NGC 55 ist die edge-on
Galaxie am Himmel überhaupt. Selbst die nördliche Paradegalaxie NGC 4565
kann dieser nicht annähend das Wasser reichen. Mit einer Ausdehnung von fast
einem halben Grad und einer enorm hohen Flächehelligkeit beeindruckt diese. Spektakulär sind die hellen HII Regionen, die sich unverwechselbar
für eine Galaxie mit dem Filterrad blinken lassen.
NGC 253, die bekannte
Sculptorgalaxie ist von den Ausmaßen denen von NGC 55 sehr ähnlich. Auch
hier zeigt sich bei mittlerer Vergrößerung ein kaum zu beschreibendes
Detailreichtum. Am ehesten vergleichbar mit einer guten fotografischen
Aufnahme.
Nach 5.00 Uhr sind wir von Eindrücken
gesättigt. Das Gerät hat uns beeindruckt, die Nacht und die Objekte waren
allesamt spektakulär. Fast benommen schließen wir für die Nacht und hängen den
24" in der ansteigenden Dämmerung zu. Die Müdigkeit durch die teilweise sehr
anstrengenden Objekte der Nacht überwiegt, wir schlafen sofort ein...