2,5 Nächte Deep-Sky Paradies Edelweißspitze September 2006
Edelweißspitze v. l. n. r.: 16" Dob, Uwe
Glahn, Bernhard Engeser, Georg Görgen, 18" Dob, Sinnwelleck (3281m),
Fuscherkarkopf (3331m), C 14
So, oder so ähnlich kann man den letzten Alpenaufenthalt auf der Edelweißspitze vom 22.09. - 25.09.2006 nennen. Nach dem der geplante Alpentrip im August förmlich in Wasser fiel, entschied ich mich nach Absprache mit Bernhard Engeser un Ronald Stoyan kurzfristig die mir noch zur Verfügung stehenden freien Tage zu nutzen und fuhr Richtung Zell am See...es sollte sich mehr als lohnen.
Die erste Nacht
Nach Ankunft am Wallackhaus
am späten Nachmittag wurden erst einmal alte Bekannte begrüßt. Bernhard Engeser,
Ronald Stoyan, Klaus Veit, Thomas Jäger und Matthias Juchert bereiteten sich
schon seelisch und moralisch auf die kommende Nacht vor. Schnell einigte man
sich auf die Edelweißspitze, an der wir noch Friedrich Lamprecht (bekannter
unter "Friedl"), dem Österreicher Walter Koprolin und die beiden Aachener Georg
Görgen und Jan Hattenbach antrafen.
Die Nacht sollte annähernd perfekt werden. Die SQM Messungen von Bernhard
erreichten mit 21.75 mag/arcsec² um 2.30 Uhr MESZ ihr Maximum, die Grenzgröße
war ähnlich wie in der nachfolgenden Nacht und bewegte sich stramm auf die 7,4
mag zu.
Relativ unvorbereitet
stellte ich fest, dass Seyfert's Sextett NGC 6027 bzw. als Hickson
79 bekannt nach Dämmerungsende noch ausreichend hoch stand. Nach den
ersten Erfolg versprechenden Blicken mühte ich mich bei 450x am 16" Dob und
beobachtete insgesamt sicher 4 Galaxien mit Ansatz zur 5. Galaxie. Dieses
extrem enge Sextett (in Wirklichkeit nur 5 Einzelgalaxien) befinden sich auf
ein Raum von nur etwa 1'x1,5'.
Genug von Galaxien folgten 3 Planetarische und 2 Protoplanetarische Nebel.
Den Anfang macht
Abell 51 den ich wegen seines tiefen Standes von -18° DEC auswählte. Bei
129x und [OIII] war dann relativ leicht eine schwache Scheibe ohne jegliche
Struktur zu beobachten, ein typischer Abell.
Weiter zu Abell 49,
der deutlich schwerer als Abell 51 wirkte. Bei 225x und [OIII] ein kleines,
diffuses Wölkchen, weiter war leider nichts zu erkennen.
Genug von den schwachen Abells stellten wir in Bernhard seinem nachgeführtem 18" Obsession den Egg-Nebel ein. Bei knapp 690x zeigte sich von den beiden getrennten Knoten der bipolaren Struktur schwach die "Fahnenstruktur", die als Ausläufer oft auf guten Fotografien zu erkennen sind.
Nicht ganz so einfach
wie der Egg-Nebel erschien Minkowski's Fußabdruck (Footprint Nebula) M
1-92. Bei nicht optimalen Seeing war im 16" bei 600x zwar die beiden
Komponenten der bipolaren Struktur zu trennen, erforderte aber doch einiges
an Mühe und Konzentration.
Ronald wies mich auf
einen interessanten PN IC 1747 in der Cassiopeia, unweit vom hellen
Stern Segin hin. Das winzige, nur 0,32 Bogenminuten große Scheibchen zeigte
sich bei 600x ohne Filter als kleiner Ring, der zur Westseite hin offen
schien. Auf der Nordseite dagegen befindet sich ein etwas hellerer, gerade
wirkender Ringabschnitt.
Genug durch das Teleskop geschaut, wie wäre es mit ein wenig Astronomie mit bloßem Auge? Bei solchen Bedingungen ein absolutes Muss. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Vielzahl von Deep Sky Objekten mit bloßem Auge zu sehen sind.
M 33 ist ein sehr leichtes Objekt. Die Galaxie kann als Fläche direkt wahrgenommen werden.
Erstaunlicher ist schon der Gegenschein, der sich sehr einfach als mittelgroßes Wölkchen unweit des Sternbildes Fische aufhält.
Matthias macht mich auf das Zodiakalband aufmerksam, welches sich tatsächlich ausgehend vom Gegenschein über den ganzen Himmel erstreckt. Das erste Mal, dass ich das Zodiakalband visuell sehe.
Der Kugelhaufen M 15 ist leicht getrennt vom 17' östlich stehenden 6mag Stern zu sehen. Wir sind uns nicht sicher, meinen aber den Unterschied zwischen Stern und Kugelhaufen wahrzunehmen. Eine unabhängige Abstimmung bestätigt den Eindruck. Der Stern sieht visuell "knackiger" aus als der Kugelhaufen.
Auf der Suche nach M 2 der unter dem Himmel leicht indirekt zu sehen ist, stolpern wir über ein schwachen Stern, der unabhängig von mehreren Beobachtern gesehen wird. Später stellt sich heraus, das dieser im Visuellen eine Helligkeit von 7,34 mag hat und das auf der Höhe von M 2. Diese Sichtung bestätigt die Grenzgrößenbestimmung der nächsten Nacht von 7,3 mag bis 7,4 mag am Pol.
Matthias und Ronald berichten noch über eine positive Sichtung vom recht schwachen NGC 7789, wohlgemerkt, mit bloßem Auge!
Weiter ans Teleskop, bei mir hauptsächlich ein 16" Dobson.
Ich nehme mir folgend
über eine Stunde Zeit und beobachte und zeichne Stephan's Quintet.
Bei der Grenzgröße ist es erstaunlich, was alles im Teleskop zu sehen ist.
Stephan's Quintet wird zum einfachen Deep Sky Objekt. Nach wie vor ist
jedoch NGC 7320C mit visuellen 16,0 mag (16,9 bmag) eine harte Nuss für den
16", zwar zu sehen aber für mich nahe an der Grenze des Machbaren.
Zum Schluss stellt der Südhimmelerfahrene Ronald noch ein paar sehr tief stehende Objekte in seinem 14" Dob ein.
Besonders zu erwähnen ist NGC 55 welche sich quer durch das Gesichtsfeld zieht. Zu beachten ist, das sich NGC 55 bei -39° DEC befindet! Die Galaxie besteht aus einem recht hellem Kernbereich, der gerade auf der östlichen Seite diffus ins Nichts ausläuft. Unter Einsatz des UHC-Filters blinken einige HII-Regionen recht deutlich hervor.
Um 5.30 Uhr MESZ wird es dann merklich heller, die Dämmerung beginnt. Ab etwa 4.00 Uhr ist das Zodiakallicht als deutliche "Haifischflosse" am Osthorizont zu sehen. Wir packen ein und fahren im Hellen Richtung Wallackhaus.
Die zweite Nacht...
...wird ähnlich gut wie die erste. Eine Wetteränderung drückt von Süden her an das Hochtor. Das Wallackhaus ist im Nebel. Ab dem Hochtor fallen die Wolken nach Norden ab und lösen sich vor unseren Augen auf, auf der Edelweißspitze bleibt es klar. Die SQM Werte reichen wieder kurz nach Mitternacht an die 21.7 mag/arcsec² heran. Die Milchstraße wirkt nach Ende der Dämmerung und Sichtbarkeit des Erdschattens wild zerklüftet und wird erst durch die Gebirgskämme der Hohen Tauern begrenzt. Das Seeing ist leider wieder nicht perfekt, dafür die Transparenz. Wir bestimmen die Grenzgröße und kommen gemeinsam auf sichere 7,3 mag. Ronald und ich sehen kurz einen 7,4 mag Stern, diesen jedoch unsicher. Die Luft ist sehr trocken, die Nachttemperaturen, die Ende der Nacht gegen 0°C gehen sind dadurch sehr erträglich.
Etwas besser vorbereitet
geht es an den etwas exotischen Kugelsternhaufen Haute-Provence 1,
der mit einer Deklination von -30° DEC nur wenige Grad über den Bergspitzen
kriecht. Zu meiner Überraschung ist dieser Kugelhaufen noch in der Dämmerung
als schwache Aufhellung zu sehen. Je später es wird, desto besser ist er zu
sehen. Bei 129x wirkt der Kugelhaufen als deutlich zur Mitte hin
konzentriert. Bei 225x wirkt der Haufen gemottelt und steht kurz vor der
Auflösung in Einzelsterne. Zwei Stück kann ich indirekt halten.
Weiter zum 18" Obsession von Bernhard. Wir suchen den PN GJJC 1 in M 22. M 22 selbst wirkt gigantisch. Unmengen von Sternen sind zu sehen. Die Stelle des PN's ist bei 515x schnell lokalisiert. Was zu sehen ist, ist der Zentralstern des PN's. Die Nebelhülle selbst ist mit Filterblink nicht auszumachen.
NGC 6852 fiel mir
bereits voriges Jahr auf dem Starhoppingweg zu Abell 67 auf. Nun widme ich
mich ausgiebig diesem hochinteressanten PN. Bei 450x und ohne Filter besteht
der PN aus einem leicht elongiertem Ring. Besonderheit sind drei kleine,
flächige Aufhellungen im SO, NO und NW. Der Zentralstern ist dagegen nicht
zu sehen.
Der schwache PN Abell 53 ist in Ronalds 14" bei 200x zwar schwach, aber sicher indirekt als diffuse Aufhellung zu beobachten.
Wieder mit 16" wirkt dagegen Abell 62 weitaus interessanter. Schon im Übersichtsokular + [OIII] ist eine schwaches Glimmen nahe ein paar schwacher Sterne zu erahnen. Bei 100x löst sich der PN schön aus dem Hintergrund hervor. Eine etwas O-W elongierte Scheibe mit gut abgegrenzter Nordseite ist zu sehen...mal wieder ein schöner Abell-PN.
Kaum zu toppen ist
dagegen der PN Jones 1. Dieser große PN ist trotz des top Himmels und
[OIII]-Filter kein einfaches Objekt. Er besteht aus einem nicht komplett
geschlossenen Ring. Besonders auffällig wirkt der Ring im Süden und Norden.
Nach Osten hin ist der PN offen, die Westseite ist geschlossen zu sehen. Der
Nördliche Ringabschnitt wirkt visuell leicht geschwungen. Innerhalb des PN's
ist ebenfalls sehr schwach Nebel zu erkennen.
Da ich keine Lust mehr auf Zeichnen habe, beobachte ich die letzten 3 Stunden der Nacht zusammen mit Bernhard an seinem 18" Obsession. Wir stellen einige prominente Objekte ein und genießen deren Schönheit. Nicht nur schwache Objekte sind unter solch perfekten Bedingungen lohnenswert. Gerade bekannte Objekte offenbaren völlig unbekannte Details.
Der Pacman Nebel NGC 281 raubt uns den Atem. Solche Strukturen hatten wir trotz [OIII] nicht erwartet. Unmöglich alle einzelnen Details zu beschreiben. Die SO Seite weist eine stark zerklüftete Kante vor, der Nebel selbst ist durchzogen von einigen sehr auffälligen Dunkelwolken.
Ähnlich ergeht es mit NGC 891, die von diesen Traumbedingungen voll profitiert. Mit dem 18" ist sogar die schwache 2MASS-Galaxie direkt auf der NW Kante der Galaxie zu erkennen.
NGC 1491 wirkt mit [OIII] als etwa 3'x4' großer, stark strukturierter Nebel. Aber auch die schwachen Ausläufer weit außerhalb des Hauptkörpers fallen auf.
Den bekannte Wolf-Rayet Nebel NGC 2359, Thor's Helm, Entennebel, oder wie es Matthias so schön formulierte "Headset-Nebel" kannte ich ja schon von top Bedingungen der Rhön. Der Anblick setzt aber noch mal einiges an Details auf das bekannte Bild. Ein vom Fuß abgehendes Filament nach Nord kannte ich noch nicht, war hier sehr gut zu sehen. Die Doppelschale des "Entenhalses" war anders wie in der Rhön ein einfaches und hervorstechendes Detail zu beobachten.
Der Schlüssellochnebel NGC 1999 unweit des farbigen und wild zerklüfteten Orionnebels kommt auch unglaublich schön rüber. Struktur innerhalb des "Schlüsselloches" ist einfach zu sehen, die Dreiteilung des Dunkelgebietes auffällig.
So geht die Nacht mit weiteren VIP's wie B 33, M 76, NGC 6888, NGC 1981, M 42/43 und dem Cirrusnebel zu Ende. Wir beschließen uns Zeit bei Abbau der Gerätschaften zu lassen und uns den Sonnenaufgang zu gönnen. Die Dämmerungsfarben beobachten wir vom Turm der Edelweißspitze. Rötliche, violette bis blaue Farbtöne verschmelzen in einem sagenhaft schönen Ton mit Kontrast zu den pechschwarzen Bergspitzen der Hohen Tauern. Im Osten geht die Venus auf und kündigt den zeitlich nahen Sonnenaufgang an. Kurz vor Sonnenaufgang fangen dann die Ostseiten der Berge an rötlich zu "glühen", ein einmaliger Anblick. Die ersten Sonnenstrahlen erinnern uns daran, dass das Frühstück auf uns wartet, wir brechen wieder Richtung Wallackhaus auf.
Blick von der Edelweißspitze nach
Nordosten, die Dämmerung setzt ein.
Die dritte Nacht
Da es der letzte Tag der Sommersaison im Wallackhaus ist, ziehen wir um und nächtigen in der Edelweißhütte. Die komfortablen Zimmer haben den großen Vorteil, dass es nur wenige Schritte bis zum Beobachtungsplatz sind und man sich so leichter aufwärmen oder ausruhen kann. Die Nacht wird einen Tick schlechter als die beiden vorigen. Teilweise heftige Böen kündigen einen weiteren Wetterumschwung an. Ich schätze die Grenzgröße trotzdem auf 7,2 mag, Bernhards SQM misst maximal 21.65 mag/arcsec². Außer Bernhard und mir sind nur noch Jan, Georg und ein Österreicher aus Graz auf dem Platz.
Los geht es mit
Minkowski's Butterfly, auf Deutsch "Schmetterling" (nicht Messer ;-))
oder für die Katalogfans M 2-9. Ein Protoplanetarischer Nebel. Dieser ist
trotz 40cm Öffnung sehr schwach. Von NW nach SO zieht sich ein schwacher
Strich genau durch den für den Proto-PN verantwortlichen schwachen Stern.
Bei 360x wirkt dieses eher mau, aus physikalischer Sicht jedoch umso mehr
interessante Gebilde am besten.
Abell 47 stellt sich als extrem harter "Brocken" heraus. Ich benötige annähernd eine Stunde, um mir der Beobachtung sicher zu sein. Der sehr schwache PN taucht beim indirekten Sehen bei etwa 3mm AP immer wieder an gleicher Stelle für wenige Sekunden auf.
Eindeutig heller ist
NGC 6905 oder auch unter Blue Flash Nebel bekannt. Ein PN, der
schon lange auf meiner Liste steht. Ist dieser doch mit etlichen, schwachen
Details bestückt. Die sehr gute Transparenz macht das eher schlechte Seeing
wieder wett. So ist der Hauptkörper mit seinen feinen Ausläufern,
Dunkelstrukturen und Schalendetails bei 450x und UHC Filter am besten zu
beobachten.
Der Propellernebel DWB 118 überzeugt mich dagegen nicht. Mit keiner Filterkombination ist der Nebel so auszumachen, wie ich mir das vorgestellt habe. Mit Hß ist zwar die Struktur des Propellers zu erkennen, jedoch mehr als schwach. Schuld daran kann aber schon die sich nähernde Wolkenfront gewesen sein.
Kurz nach Mitternacht "fehlen" plötzlich Sterne im Südwesten. Wolken ziehen heran. Diese sind nicht als Wolken zu erkennen, sondern als "schwarze Löcher" im Himmel. Während man später im Norden die Wolken als Wolken erkennen kann, weil sie von Zell am See von unten beschienen werden, sind die Wolken am kompletten Ost, Süd und Westhimmel wirklich nur als Fehlen von Sternen zu erkennen. Innerhalb einer Stunde zieht es zu. Diese letzte Stunde wird mit "Wolkenlochhopping" beobachtet. Bis dahin übersehene Objekte wie IC 1311, NGC 6871, NGC 457, NGC 663, M 103 und NGC 7789 beobachten wir nun gemeinsam. Um etwa 1.00 Uhr MESZ geben wir dann endgültig auf und packen ein.
Ein äußerst gelungener Aufenthalt auf der Edelweißspitze liegt hinter uns. Wir werden wieder kommen.