First Light La Palma - Winternächte auf dem Vulkan

Freitag Mittag, 28. Januar - der Flieger gibt Gas und hebt von der Startbahn des Düsseldorfer Flughafens Richtung Süd ab. Mit dabei sind Steffen, Costa und Friedl, in den "Handtaschen" sind zwei 12" und ein 14,5". Ziel ist einer der besten Sternhimmel der Welt, der auf dem erloschenen Vulkan "Roque de los Muchachos" der Kanareninsel La Palma zu finden sein soll.


Sonnenuntergang über dem Roque de Los Muchachos, im Vordergrund das TNG (Telescopio Nazionale Galileo - 3,6m)

Angekommen auf der Insel erwartet uns ein bedeckter Himmel bei angenehmen 20°C. Auch hier ist der Winter eingekehrt, welcher sich durch unbeständiges Wetter bemerkbar macht. Unbeeindruckt holen wir das Hauptgerät, ein 20" Obsession Dobson ab, den wir von einem befreundeten Sternfreund ausgeliehen bekommen haben - nochmal Danke dafür Jens.

Nacht 1

Nach einem durchwachsenden Start in unseren einwöchigen Urlaub zeigt sich der Sonntag mit einigen Lichtblicken. Wir packen zusammen und brechen gegen Nachmittag in Richtung Roque de los Muchachos auf. Die Fahrt von der auf 900m liegenden Finka in der Nähe von Puntagorda führt über eine steile, aber gut ausgebaute Straße nach oben. Nach einer dreiviertel Stunde passieren wir den Eingang des Sternwartengeländes. Ziel ist der mit 2426m höchste zu erreichende Punkt der Insel - eine großzügig ausgebaute flache Plattform, die tagsüber als Parkplatz genutzt wird. Oben angekommen erwarten uns neben einer steifen Brise Passatwind Schnee, der an den letzten Tagen gefallen ist. Viele Einheimische nutzen das seltene Spektakel um Schneemänner zu bauen und Schlitten zu fahren. Nach Sonnenuntergang wird es jedoch schlagartig leer. Kein Wunder, denn gegen 20.00 Uhr schließen die Schranken des Geländes - Besucher sind nicht mehr erwünscht. Wir gehen das Risiko ein und lassen uns "einschließen", bauen die Teleskope auf und genießen den gewaltigen Ausblick. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ziehen Wolken über die Caldera und lösen sich beim Abfallen in den ehemaligen Krater auf. Ein beeindruckendes Schauspiel, welches in der ganzen Nacht schier unvorstellbare Wolkenmassen bewegt.


Dämmerung - unaufhörlich ziehen Passatwolken über den gut 2000m hohen Kamm der Caldera de Taburiente

Die Nacht bricht herein. Das Zodiakallicht ist ungewöhnlich hell und bleibt fast bis Mitternacht zu sehen. Die auftauchenden Sterne deutet bereits die enorm hohe Himmelsqualität an. Die auftauchende Wintermilchstraße erhebt sich prächtig über den Süden der Insel. Wir sind beeindruckt und bestaunen zunächst die etwa 20° höher stehenden Wintersternbilder.

Einzig die Wetterbedingungen "heizen" uns ein. Der extrem ausgesetzte Platz mit Windböen bis zu 20m/s (70km/h), durchziehenden Nebelschwaden und Minusgrade zerrt an unseren Kräften. Wir lassen uns nicht beirren und starten unser Beobachtungsprogramm.

Wir brauchen eine kurze Verschnaufpause und bestaunen den Himmel. Die wild zerklüftete Milchstraße zieht sich über unsere Köpfe. Ein Winterhimmel wie wir ihn noch nie zu Gesicht bekamen. Trotz der tief im Süden stehenden, mit 20000 Einwohnern größten Gemeinde Los Llanos, ist der Himmel als perfekt zu bezeichnen. Neben dem völligen Fehlen von Lichtglocken herrscht am Berg auch absolute Stille. Nur ab und an hört man ein leises, zunächst nicht zuordenbares Piepen. Die Lösung ist einfach - beim Schwenken der Großteleskope ertönen ähnlich wie beim Rückwärtsfahren von LKWs Warntöne. So fremd diese auch sind, so faszinierend ist es direkt neben den größten Teleskopen des Erdballs zu beobachten.



im rechten Vordergrund Los Llanos, darüber der aufgehende Stern Canopus und die Lichter der 110km entfernte Nachbarinsel El Hierro

Das Seeing ist mit den Windböen eingebrochen, weshalb wir unsere Beobachtungen mit den großflächigen Globulen fortsetzen.

Genug von Globulen. Ich versuche mich an einem extrem schwachen galaktischen Kugelsternhaufen...

Bei immer heftig werdenden Winden stellen wir ein Galaxientrio ein, welches sich unter deutschen Himmel praktisch nicht beobachten lässt.

Nach Mitternacht lässt es sich nicht mehr aushalten. Die Windböen erreichen Spitzenwerte, der eisige Nebel zieht über die Teleskope. Wir schließen die Hauptspiegelabdeckungen und begeben uns in den einzigen Schutz weit und breit - den Autos.

Die aufgehende Venus kündigt jedoch bald die beginnenden Morgendämmerung an. Majestätisch liegt die aufgehende Sommermilchstraße über den Bergen. Das Sternbild Skorpion zeigt sich komplett. Die schmale Mondsichel komplettiert den großartigen Eindruck.


Morgendämmerung - über dem Wolkenmeer die aufgehende Venus mit der Schützenregion im Hintergrund

Wir warten auf den Sonnenaufgang. Während mit steigender Helligkeit die benachbarten Kuppeln der Profis schließen, steigt der Erdschatten auffällig empor. Der Sonnenaufgang lässt nicht lange auf sich warten. Die ersten Sonnenstrahlen werden von uns als Wohltat nach der eisigen Nacht empfunden.


der Erdschatten erhebt sich als dunkelblaue Linie - im Vordergrund v.l.n.r. die Teleskope TNG (3,6m), GTC (10,4m) und NOT (2,5m)

Doch der angebrochene Morgen hält noch eine Überraschung für uns bereit. Auf Grund der tiefen Temperaturen und des durchziehenden Nebels ist die steile Straße komplett überfroren. Ab Ausgang Sternwartengelände wird die Straße absolut unbefahrbar. Etwas übermütig (oder übermüdet) rutschen wir zu Fuß auf der Eisbahn Richtung Tal und haben Schwierigkeiten wieder die Autos zu erreichen. Diese wurden notdürftig in eine Parkbucht "gerettet". Da Wörter wie "Streusalz" oder "Winterdienst" auf La Palma selbstverständlich Fremdwörter sind, sind wir zum Ausharren verdammt. Wir haben jedoch Glück im Unglück. Nachdem die Sonne die Straße schnell aufgetaut hat, können wir unsere Rückreise antreten - ohne Sonne würden wir heute noch dort oben stehen.

Die nächsten Tage sind wieder durchwachsen, an Beobachten ist nicht zu denken. Unverhofft klart das Wetter am Mittwoch auf. Die Webcams der Teleskope zeigen einen klaren Himmel, während sich Puntagorda unter den Wolken befindet. Die Entscheidung ist schnell getroffen - Versuch zwei am Roque de los Muchachos.

Nacht 2

Noch vor Sonnenuntergang erkunden wir die Straße entlang der Observatorien. Doch wir werden nicht fündig - entweder ist der Platz zu klein, oder der Wind zu stark. Wir entscheiden uns wieder ins Gelände zu fahren - Richtung obersten Parkplatz. Parallel zu unserer Einfahrt öffnen die Kuppel der "Großen". Aus direkter Nachbarschaft können wir den Giganten der Moderne ins Auge schauen - selbst das große Obsession wirkt dagegen wie eine "primitive Sehhilfe". Wir diskutieren das "Risiko Roque", entscheiden uns aber einstimmig oben zu bleiben und bauen eine Kehre unterhalb des Parkplatzes im Windschatten des Bergplateaus, jedoch mit guter Südsicht auf.

Kurz danach nähert sich ein Wächter und macht uns auf das Aufenthaltsverbot aufmerksam. Er verweist uns an die voll dem Wind ausgesetzten und einen schlechten Südhorizont aufweisenden Hubschrauberlandeplätze am Eingang des Geländes. Zum Glück können wir ihn überreden diese Nacht "on the top" bleiben zu dürfen.

Die fortgeschrittene Dämmerung stimmt uns positiv. Der Plan windgeschützt zu stehen scheint aufzugehen. Auch ist die Nacht deutlich trockener als die vorige, da die Passatwolken knapp 100m tiefer liegen. Die Wetterstation des benachbarten NOT (Nordic Optical Telescope) verzeichnet eine durchschnittliche Luftfeuchtigkeit von lediglich 5%, die Temperaturen liegen bei angenehmen +5°C.


Zodiakallicht mit ansetzendem Zodiakalband über TNG

Nach Aufbau der Geräte ist Ruhe eingekehrt. Wir genießen wieder den großartigen Sternhimmel, der im Zusammenspiel mit dem ausgesetzten Platz und der beeindruckenden Wetterdynamik ein nachhaltiges Naturschauspiel abgibt. Nachdem wir "aufgetankt" haben, kramen wir wieder in den Objektlisten. Ähnlich wie bei den Profis nebenan sollen unsere Teleskope Licht sehen. Leider spielt das Seeing wieder nicht so mit, wie wir es erhofft hatten. Um so mehr passt die grandiose Transparenz.

Eine weitere Besonderheit steht mir nun bevor - ein echtes First Light. In Vorbereitung zur La Palma Reise hatte ich mir ein leichtes Reiseteleskop aus Kohlefaser gebaut. Da die Mechanik erst zwei Tage vor Abreise fertig wurde, hatte der 14,5" f/3,8 Spiegel von Daniel Restemeier noch keine Möglichkeit sein Potential zu zeigen. Das würdige First Light Objekt soll nun eine Arp - Spirale abgeben ...

Zurück zum 20". Nachdem wir AM 1 beobachtet hatten, geht es eine Nummer weiter im kleinen Arp Madore Katalog.

Die Zeit ist mittlerweile fortgeschritten. Ich vertrete mir ein wenig die Füße und begebe mich auf den oberen Parkplatz, den man jetzt eher als Aussichtsplattform ins All bezeichnen könnte. Der Himmel ist richtig gut und extrem transparent. Im Süden befindet sich Los Llanos. Die auf Grund des Lichtverschmutzungsgesetzes kaum direkt sichtbaren, rot-orange leuchtenden Natriumniederdruckdampflampen beleuchten primer den Untergrund, sodass trotz der Vielzahl der Lichter kaum eine auffällige Lichtglocke über bleibt. Weit entfernt sind noch die Küstenlichter von El Hierro zu erkennen.



fast 2500m tiefer - Los Llanos (11km) und Nachbarinsel El Hierro (110km)

Bei einem Blick Richtung Osten verschlägt es mir jedoch die Sprache. Da sich die Passatwolken etwas gesetzt haben, schaut die Silhouette von Teneriffa über den Bergkamm. Dominiert wird sie durch die Spitze des 3718m hohen Vulkans Teide. Wirklich erstaunlich ist aber, dass man drei auffällige Lichtglocken wahrnehmen kann. Viel mehr noch wird die Silhouette erst durch den hellen Hintergrund so gut sichtbar, der selbst visuell deutlich höher steigt, als der fast 4000m hohe Vulkan. Immerhin sind die verursachenden Städte bis zu 160km entfernt - eine klares Zeichen der deutlichen zugenommene Lichtverschmutzung, zumindest auf Teneriffa.


Lichtverschmutzung erhellt die Silhouette von Teneriffa - v.l.n.r. Santa Cruz (160km), Puerto de la Cruz (135km), Playa de las Americas (135km)

Nach der Auszeit am Berg geht es weiter am 14,5" Teleskop. Der südliche Teil ist ja bekannt für die nicht im NGC/IC Katalog aufgenommenen, aber an Schönheit nicht nachstehende Planetarischen Nebel. Von denen möchte ich in dieser Nacht einige besuchen. Anfangen tue ich mit ...

Lange stiefmütterlich von mir behandelt, stehen ein paar galaktische Nebel auf dem Programm.

Bei der Suche eines Objektes fällt mir in der Sternkarte das Sternbild "Kreuz des Südens" auf. Ein etwas überraschender Blick zum Himmel bestätigt die Sternkarte - im Süden kulminieren die drei oberen Sterne des Kreuzes. Visuell und fotografisch fehlt jedoch der südlichste Stern Acrux, der sich auf -63°06' Deklination befindet. Kein Wunder - über dem Meer befinden sich Wolken, die Sterne bis maximal -61°50,5' (HD 109492) erkennen lassen. Berücksichtigt man die Kimmtiefe - man schaut ja von einem über 2400m hohen Berg unterhalb des mathematischen Horizontes und die Refraktion, sollte sich Acrux etwa ein halbes Grad über dem Horizont erheben. Theoretisch sollte sich das Kreuz also vom Roque de los Muchachos komplett über den Horizont erheben.


die drei nördlichen Sterne des "Kreuz des Südens" über tiefem Südhorizont

Weiter mit ein paar Planetarischen Nebeln.

Zur einsetzenden Morgendämmerung ist es nicht mehr lang. Wir versuchen noch zwei exotische Kugelsternhaufen.


oberster Parkplatz in der Morgendämmerung

Die Dämmerung setzt ein. Schnell verändern sich die Farben. Aus Richtung der Profiteleskope sind etwas lautere Geräusche zu hören - die Kuppeln werden geschlossen. Unterhalb der strahlenden Venus ist bereits die schmale Mondsichel aufgegangen, mit der quer liegenden Milchstraße ein beeindruckendes Bild.


Mond und Venus über "Wolkenwasserfall"

Auffällig auch der enorm kontrastreiche Erdschatten. Von diesem ausgesetzten Platz lässt sich ungewöhnlich gut die Form des Schattens erfassen, der mittig klar breiter zu sein scheint. Autos verlassen die Parkplätze der Sternwarten - Feierabend für die Profis. Auch wir packen ein, warten aber noch das letzte astronomische Ereignis ab.


Erdschatten mit TNG (3,6m) und GTC (10,4)

Der Sonnenaufgang rückt näher. Die Sonne beleuchtet dabei kurz zuvor die Passatwolken und lässt diese in einem schmalen Streifen aufglühen. Ein ähnlicher Effekt wie bei den übergreifenden Hörnerspitzen auf der Venus. Nachdem wir ein paar Sonnenstrahlen getankt haben, brechen auch wir auf - Feierabend für diese wunderbare Nacht.


"First Light" am Morgen - Sonnenaufgang über der Caldera

Nacht 3

Für unsere letzte Nacht auf der Insel wollen wir nicht mehr den Aufwand betreiben und für wenige Stunden auf den Roque zu fahren. Wir entscheiden uns für einen Alternativplatz, den wir durch Zufall und nach Tipp eines Einheimischen gefunden hatten. Weit oberhalb von Puntagorda befindet sich auf 2040m Höhe ein kleiner Parkplatz an einer betonierten Wasserreserve. Zu erreichen ist dieser über eine sehr steile, aber gut zu befahrende Betonstraße und führt durch eine künstlich angelegte, etwa 100m breiten Feuerschneise. Die Sternwarten sind bereits knapp oberhalb des Platzes zu sehen. Der Südhorizont ist als gut einzustufen, Wind ist zumindest am Erkundungstag und der Beobachtungsnacht kein Thema.

Die Bedingungen sind ebenfalls grandios. Das helle Zodiakallicht ist weit bis in die Nacht zu sehen und lässt sich im visuell gut sichtbaren Zodiakalband weiterverfolgen. Wir bauen unsere Teleskope auf und legen los.


Zodiakallicht und Jupiter mit sich im Staubecken spiegelnden Sterne

Immer wieder messe ich mit meinem SQM Gerät die Himmelshintergrundhelligkeit. Meine gemessenen Werte bestätigen die durch die Profis ermittelte Himmelsqualität. Nachdem die Milchstraße aus dem Messkegel verschwunden ist, messe ich in allen drei Nächten Werte an bzw. jenseits der 21,9 mag/arcsec². Diese Werte sprechen für sich, können jedoch den von unseren Augen subjektiv wahrgenommenen fantastischen Himmel nur andeutungsweise beschreiben.


Messwerte dreier Nächte auf La Palma

Mitternacht ist bereits lange hinter uns. lange werden wir nicht mehr machen können - ein mühsamer Tag steht vor uns. Bevor ich an die letzten Objekte gehen gönne ich mir im 14,5" ein besonders Highlight ...


Orion mit eigenem Spiegelbild im Staubecken

Damit endet unser Aufenthalt auf der Kanareninsel La Palma. Wir durften neben dem etwas wechselhaften Wetter eine grandiose Insel mit einem fantastischen Sternhimmel erleben. Bleibt zu hoffen, dass dieser entgegen des negativen Vorbildes von Teneriffa noch lange so bestehen bleibt. La Palma ... wir kommen wieder