Spätherbstnächte in den
Hochalpen
- 5 Nächte Rock'n'Roll auf der
Edelweißspitze -
Das Jahr 2010 brachte wettertechnisch das schlechteste Astrojahr seit meinen Aufzeichnungen 1993. Und das mit dem dieses Jahr fertig gestellten 27" ... was soll man dazu sagen. Der Drang in die Hochalpen zu kommen und die perfekte Durchsicht und Seeing eines Platzes wie der Edelweißspitze zu erleben war hoch und sollte im letzten Moment vor dem großen Schnee und der damit verbundenen Straßensperre noch bedient werden.
Blick in die 690mm messende
Lichtsammelfläche ... der Fangspiegel hat es gut
Doch die Wetterprognosen für den Oktoberneumond drehten pünktlich auf eine stabile Hochdrucklage. Schnell sprach sich das unter den "üblichen Verdächtigen" herum, sodass zwei Gruppen in Richtung Bieler Höhe und Großglockner Hochalpenstraße aufbrachen. Ich entschied mich für letzteres, da ich vom Beobachtungsprogramm auf gutes Seeing setzte, was tendenziell eher für die von störenden Luftströmungen laminar umströmte Edelweißspitze spricht. So traf ich am Freitag den 8. Oktober gegen Nachmittag am Platz ein. Schon vor Ort war Gerrit Hammersen - Friedl Lamprecht, Marc Emde - Deckname "Mr Equipment", Walter Koprolin und Martin Brückner stießen später nach.
Die erste Nacht
Die Dämmerung versprach zunächst nichts gutes. Hohe Bewölkung ließ keine gute Transparenz zu. Trotzdem wurde aufgebaut. Kurz nach Dämmerungsende dann der erste Schock. Martin tritt ungünstig auf ein Randstein und reißt sich dabei die Achillessehne ab! So endet abrupt sein First Light in den Hochalpen. Wir bauen sein Teleskop ab und packen die Sachen zusammen. Frohnatur Martin "befehligt" und begutachtet aus Friedls Regiesessel die diszipliniert ausgeführten Arbeiten. Schließlich wird er vom Natarzt ins Krankenhaus nach Zell am See gebracht. Gute Besserung Martin!
Dämmerung und Zirren - Friedls 16" und mein 27" warten auf ersten
Licht
Richtig Freude kommt nicht auf. Die Durchsicht ist mäßig bis schlecht. Immer wieder werden die Objekte förmlich ausgeknipst. Doch das Seeing ist hervorragend. Genau was ich brauche.
NGC 604 ist die hellste HII Region in
der prächtigen face-on Galaxie Messier 33. Das Objekt selbst wirkt
knallhell. Ich habe es auf die Sternhaufen innerhalb der Region abgesehen,
ein Detail welches ich vor 4 Jahren an gleicher Stelle mit 20" das erste mal
sehen hab dürfen. Und mit 27", sowie 837x geht richtig was vorwärts. Die
Region erscheint sofort gesprenkelt, Gerrit meint einen offenen Sternhaufen
vor sich zu haben. Nach Folgebeobachtungen in den nächsten besseren Nächte
sind insgesamt 14 Einzelobjekte innerhalb des Gebietes zu erkennen. Wie erhofft reagieren einige Plobs schwach auf Filterblink ...
Anzeichen für kleine, flächenhelle Gasansammlungen.
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R Aqr, diesmal anstatt R Aql eingestellt zeigt trotz mieser Durchsicht sofort seinen umgebenen Nebel Ced 211. Dank Reiner Vogels Tipp beobachten wir diese symbiotischen Doppelstern aus Mira - Veränderlichen und Weißem Zwerg, der ab und an auf Grund gravitativer Beeinflussung beider Sterne Material abgibt. Zu sehen sind bei 486x zwei leicht versetzte nach NO und SW entgegengesetzt ausgerichtete "Säulen" mit Knoten an deren Enden. Der SW Ausläufer ist dabei zwar indirekt noch gut nachvollziehbar, aber deutlich schwächer als sein Nordostkompagnon. Die nächste Nacht sollte aber noch besseren Ergebnisse und eine Zeichnung des Objektes hervorbringen.
Nachdem wir mit dem Teleskop mehr oder weniger Ernsthaft in der Gegend um her springen, bis auch das letzte Objekt von den hartnäckigen Zirren ausgeknipst wird, geben wir gegen 3.00 am Morgen auf und bauen ab.
Tagsüber bleiben uns die Zirren erhalten. Im Gegensatz zur nebligen Suppe im Tal scheint wenigstens die Sonne bei angenehmen Temperaturen. Webcams bestätigen, dass nun auch die Kärtner Kollegen am ITT nach Tagen "Nebel des Grauens" Licht in Form von Sonnenstrahlen genießen können. Friedl, Marc und ich gönnen uns eine kleine Wanderung um die Edelweißspitze.
360° Panorama, im Vordergrund die etwa im Süden stehende
Edelweißspitze - auf Bild klicken für höhere Auflösung
dem Himmel näher ... Nordhang der Edelweißspitze mit Aussichtsturm (links) und unserer
Unterkunft, der Edelweißhütte (rechts)
Die zweite Nacht
Die zweite Nacht startet ähnlich wie die erste aufhörte - hohe Bewölkung, aber ausgezeichnetes Seeing. Wir bauen aber guter Hoffnung auf und sollten dafür später auch belohnt werden. Nach und nach verzogen sich die Zirren und ließen den ersten ungetrübten Blick auf den gewaltigen Sternhimmel zu.
Der Halo von Messier 57 - dem Ringnebel ist Ziel meiner ersten Reise. Bei hoher Vergrößerung zeigt sich der Zentralstern direkt, der zweite ist innerhalb des Rings sicher indirekt zu sehen. Doch zurück bei 4mm AP und 172x ist mit UHC Filter der Halo überraschend einfach zu sehen. Es zeigt sich eine ovale, sich um den PN schmiegende Aufhellung, dessen Außendurchmesser 2-2,5x des inneren Rings entspricht. Einzelne Fragmente oder auch die äußere Haloschale können nicht ausgemacht werden.
UGC 10770 zeigt sich als recht unspektakulärer "Propeller", steht er doch gerade etwas in einer Zirre, die mehr Detail verhindert.
Doch was dann kommt verschlägt mir das erste Mal richtig die Sprache. Ich verweile die nächsten 2 Stunden am gleichen Objekt...
...dem Katzenaugennebel
- NGC 6543. Was bei 1172x ohne Filter zu sehen ist begeistert mich
zutiefst. Nicht nur die helleren Außenbögen des PN, die unter guten
Bedingungen oft mit der um 90°
verkippten Innenschalen verschmelzen sind mit Struktur zu sehen, sondern
direkt die ovalen, ineinander verschachtelten Innenschalen gebe sich Preis.
Um diese Details wahrnehmen zu können muss alles passen ... heute passt
alles. Es dauert eine ganze Weile ehe ich durch das Schalenwirrwar
durchblicke, kann es aber letztendlich doch recht gut festnageln.
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Nach dieser sehr anstrengenden Beobachtung gönnen wir uns eine Pause. Wir wärmen uns in der Küche vom Edelweißwirt auf und tanken Kraft für die nächsten Herausforderungen.
Da das Seeing exzellent ist und sich Transparenz zunehmend verbessert fahren Friedl und ich DAS Deep Sky Objekt überhaupt an, die Plattform schnurrt vor sich hin, das 2-fach gebarlowte 5mm Okular ist eingesetzt und los geht es.
Einsteins Kreuz,
ein mit Demut zu
nennender Begriff. Praktisch gesehen rotzfrech diese relativistische
Eigenart visuell zu versuchen ... doch wir wagen es. Ein durch eine 20 mal
näher stehende Vordergrundgalaxie 4-fach gelinster Quasar steht auf dem
Programm. Eckdaten sind Einzelkomponenten von 17,4-18,7mag, die im Abstand
von etwa 1" vom Zentrum der Vordergrundgalaxie entfernt stehen. Nochmal tief durchatmen und Augen
auf. Relativ schnell fallen einzelne Pünktchen im Zentrum der
Vordergrundgalaxie PGC 69457 (15,4bmag) auf. Friedl und ich zählen sicher 3
Stück die ständig gesehen und separiert werden können. Wir versuchen die
Lage der Komponenten festzunageln, was uns aber nur bedingt gelingt. Einig
sind wir uns, dass der hellste Spot am Südrand des Knäuels sitzt.
4-fach gelinster Quasar - im Vordergrund
PGC 69457
(Aufnahme durch 3,5m WIYN - NOAO/AURA/NSF)
R Aqr soll nächstes Objekt
sein. Bereits am
Vortag eingestellt, aber vorzeitig durch Wolken ausgeknipst. Der
nächste Versuch unter deutlich besseren Bedingungen bringt auch deutlich
mehr Detail. Leider vergesse ich an beiden Tagen einen wohl gewinnbringenden
[OIII] Filter einzusetzen, welcher noch mehr Detail hätte zeigen können ...
muss nachgeholt werden. Neben den NO und SW Ausläufern sind jetzt weitere kurze Auswürfe
nach SO und NW zu sehen, insgesamt macht das Objekt einen rautenförmigen
Eindruck.
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Etwas verwirrt suche ich vergebens den Gezeitenschweif von Arp 100 - IC 18, IC 19. Ich verwechsle die Galaxien untereinander und kann demzufolge auch nichts sehen. Die Galaxien selbst sind kaum einen Besuch wert.
Ähnlich wie die Hicksongruppe 1. Die
nahe eines Sterndreieckes stehenden 4 Galaxien sind zwar zu sehen, machen
aber weniger Eindruck als manch andere Hicksongruppe.
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Weiter mit einer helleren Ringgalaxie - NGC 985. Ungewöhnlich lange für ein NGC - Objekt suche ich das Feld ab, finde aber nichts. Fehler in der Uranometria? Ein möglichst exakter Starhop der letzten 30' bringt mich aber zielsicher zur Galaxie. Diese ist als sehr schwaches Halo um einen stellaren Spot zu sehen ... kein Wunder das ich da drüber geschwenkt hatte. Das fast 0,5' große Anhängsel klebt halbkreisförmig über dem Spot und ist in der Mitte klar dunkler. Die Ringstruktur ist also nachweisbar.
Das Seeing ist weiterhin hervorragend, die Wolken haben sich fast komplett verzogen. Es ist windstill und ich wandere ein wenig über den Platz. Marc läuft in Hochform auf, hat er mit seinem 15" Obsession eben doch G 1 beobachten können und Erfolg bei Pease 1 in M 15 gehabt. Gerrit verlustigt sich bei hoher Vergrößerung und edler Okularausstattung an ein paar hellen NGC - PN im 18" Obsession UC. Die Stimmung ist sehr gut, die Truppe passt ... es macht einfach Spaß.
Ich versuche mich am mittlerweile hoch
genug stehendem Orionnebel und halte auf das Trapez. Bei 837x
führen wahre Autobahnen durch die Komponenten E und F. Doch ich habe es auf
etwas anderes abgesehen - Komponenten G und H! Und G ist schnell zu sehen.
Ein winziger Lichtpunkt steht unweit und fast noch im Lichtkranz von C.
Indirekt für mich ständig zu halten geht es an die nächst schwerere
Komponente H, welche exakt betrachtet aus einem Doppelstern H1 und H2 besteht. Als
Einzelobjekt ist H dann indirekt sicher aufblitzend aber knapp nicht mehr zu
halten. Friedl und Gerrit sehen beide Komponenten ebenfalls. Die neunte
Komponente I versuche ich aus unerfindlichen Gründen nicht - muss nachgeholt
werden.
Stefan Seip - astromeeting.de
Es ist bereits gegen 3.00 Uhr. Friedl baut durch eine Erkältung geschwächt ab. Die Krankheitsrate am Berg steigt unaufhörlich und soll noch nicht sein Ende finden.
Das Seeing ausnutzend steuere ich Messier
1 - den Krebsnebel an. Mensch, da hat Friedl was verpasst. Uns zieht es
die Schuhe samt Socken aus. Schnell das Edelethos von Gerrit mit [OIII]
bestückt und Rock'n'Roll. Die zarten Verästelungen bei 366x scheinen noch
feiner verteilt zu sein wie auf guten CCD Aufnahmen. Damit hätte ich
beim besten Willen nicht gerechnet. Wir bleiben ein wenig hängen und
genießen den beeindruckenden Anblick.
Ohne Filter ist etwas SO vom Zentrum verschoben ein Doppelstern gut zu
trennen. Dessen schwächere SW Komponente ist der bekannte Pulsar. Die
Trennung und Beobachtung empfinden wir selbst bei knapp 400x als einfach.
Bei über 800x sind beide Sterne regelrecht weit voneinander entfernt.
Etwas übermütig steuere ich mit Abell 9 einen der schwersten PN des gleichnamigen Kataloges an. Interessant, der PN liegt am Nordrand vom M 38. Trotz intensiven Bemühungen ist bestenfalls etwas an der Stelle zu erahnen. Die Aufhellung kann aber nicht gehalten werden, weswegen ich die Sichtung als negativ verbuche.
Die Luft ist etwas raus. 4.00 Uhr ist schon durch und am Osthorizont deutet sich das Zodiakallicht an. Die letzte Stunde muss ausgerollt werden dürfen. Wenn da nicht so viele hochinteressante Ziele wären. Ich entscheide mich "ernsthaft" durchzuziehen und das gute Seeing auszunutzen.
Der Doppelquasar im UMi (QSO 0957+561) soll nächstes Ziel werden. Mit 16" nie getrennt, mit 20" eine Elongation vermutet stehen beide Komponenten schon bei 293x da, als wenn nie etwas gewesen wäre. Das der Öffnungsunterschied so krass ausfällt überrascht mich. Bei 586x könnte man zwischen beiden, einfach zu beobachtenden Objekten eine 4-spurige Autobahn bauen.
Der Pferdekopfnebel ist Bote für den Winter. Ganz klar ein Muss und nett schon im Oktober beobachten zu können. Mit Hß und 95x sehe ich das erste Mal deutlich! die Form der Schnauze, d.h. der Dunkelnebel ragt etwa 2' lang und 1' breit nach NO in den hellen IC 434. Details wie die gewellte Mähne sind selbstverständlich. Tja ... einfach nur schön das Teil.
Kurz vor Dämmerungsanfang bekomme ich noch einen Motivationsschub. Marc ist bereits langsam am abbauen, aber ich lasse nicht locker.
Hickson 18 gehört mit großer Öffnung
zu einer der interessantesten Gruppe des Kataloges. Als Ergebnis einer
vermutlichen Galaxienverschmelzung zeigt sich UGC 2140 als länglicher
Strich, wobei Einzelkomponenten c-d problemlos aus dem Strich aufgelöst
werden. A steht etwas SO.
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Ich bemerke jetzt auch die einsetzende Dämmerung. Gerrit hängt noch am Okular, gibt aber auch bald auf. Die Sterne und die Milchstraße verblassen langsam, der Osthorizont färbt sich von schwarz auf dunkelblau.
Restwolken Richtung Südost, die Dämmerungsfarben setzen langsam
ein
Gerrit und ich bauen langsam ab. Stressen tut niemand mehr. Die letzten Stücken Schokolade werden aufgeteilt. Nach Abbau begeben wir uns auf den Aussichtsturm und beobachten den Sonnenaufgang. Wir sind nicht allein. Kurz vor Sonnenaufgang gesellen sich noch ein paar Fotografen zu uns und wundern sich über unser so frühzeitig eingenommenes alkoholisches Frühstück ... Prost ... die Nacht war gut. Nach dem Frühstück beim Edelweißwirt geht es zur Augenpflege.
Sonnenaufgang über den westlichen 3000'er
Die dritte Nacht
Mittags, kurz nach dem Erwachen zeigt sich der Himmel stahlblau, keine Wolke weit und breit. Friedl und Marc reisen ab, dafür hat sich Costa angekündigt. Doch der Platz sollte sich noch mehr füllen. Am Abend stoßen mit Thomas Winterer, Frank Richardsen, Ralph Muth und Volker Neubert mit Frau weitere Sternfreunde zu uns. Zu Beginn der Dämmerung weht kein Lüftchen, es ist trocken. Auffallend jedoch, dass eine Südströmung eingesetzt hat und der Nebel ungewöhnlich weit vom Hochtor bis zum Mitteltörl hinunterfällt. Doch wir bauen nichts ahnend auf.
rege Aktivität am Platz, im Hintergrund der vom Süden über die
Berge strömende Nebel
Kurz nach Dämmerungsende zeigt sich bei leichtem Südwind und durchschnittlichen Seeing ein sehr klarer Himmel. Doch immer wieder zieht die Nebelzunge so weit Richtung Nord, dass diese aufsteigt und die 300m höher liegende Edelweißspitze erreicht. Wir machen das beste draus und fangen an zu beobachten.
Maffei II soll erstes Ziel werden. Mit 16" noch absolut chancenlos erarbeite ich zusammen mit Frank das Feld. Grenzgängig, aber indirekt aufblitzend zeigt sich dann der Galaxienkern als extrem schwaches Glimmen in der Nähe eines Doppelsterns. Kein Wunder das ich mit 16" erfolglos war.
Während immer wieder Nebelschwaden über die Bergkuppe ziehen, ergänze ich meine Beobachtung von NGC 604. Zusätzlich tauchen 2 weitere Spots auf und werden in die Zeichnung mit aufgenommen. Ein Vergleich mit Franks 20" zeigt recht heftig den Unterschied. Bei Frank bleibt es bei 5-6 schwach sichtbaren Aufhellungen.
Ebenfalls mit Franks 20" beobachten wir Hickson 18 vom Vortag. Der "UGC Strich" ist zwar auch problemlos zu sehen, was fehlt sind die Aufhellungen b-d.
27" im Einsatz
Bei -33° Deklination befindet sich mit UKS 2323-326 (UGCA 438) ein mögliches Mitglied unserer Lokalen Gruppe. Im Teleskop ist die Galaxie als schwaches, rundes Glimmen NW eines 11mag Vordergrundsterns zu sehen. Der Einsatz einer höheren Vergrößerung lässt die Galaxie verschwinden und zeigt den hellsten Sternklumpen 0,5'N des Sterns.
Kurz vor Mitternacht setzt plötzlich heftiger Südwind ein. An ein Beobachten ist kaum mehr zu denken. Bei -5°C und eiskaltem Wind sind nicht nur die Teleskope gefährdet. Nebelschwaden ziehen über den Berg und lassen alles und jeden mit einer dünnen Eisschicht überziehen. Wir drehen die Teleskope aus dem Wind und ehe wir selbst zu Eiszapfen werden genehmigen wir uns eine Auszeit in der Küche. Nach einer Stunden Wärme betreten wir wieder das Schlachtfeld. Der Wind hat nicht nachgelassen und stürmt über die flache Kuppe Es ist äußerst unangenehm, fast extreme Bedingungen am Berg. Selbst die Leiter hatte der Sturm erfasst und in Richtung Teleskop fallen lassen ... zum Glück zähle ich noch vollständige 8 Carbonstangen.
Trotz des massiven Windes herrscht eine gute Transparenz. Über dem Nebelmeer liegt eine fantastische Milchstraße.
"Wasserfall" aus Nebel über dem Hochtor ... darüber der Jupiter
Unter heftigen Böen bauen wir die vereiste Ausrüstung ab. Beim Einpacken erschrecke ich fast ein wenig, als sich am Rand des Platzes etwas am Boden bewegt. Es ist Ralph, der bei dieses üblen Bedingungen im Schlafsack nächtigt. Während der Nacht macht er unter anderem sensationelle Aufnahmen des Zodiakalbandes und in der Morgendämmerung den gigantischen Zodiakallichtkegel. Frank schläft dagegen im Hänger neben seinem 20". Nicht ganz so hart gesotten wie die beiden gönnen wir uns zusammen mit Volker noch eine Flasche Hopfentee und lassen die nicht ganz optimale Nacht gemütlich ausklingen.
Tagsüber ist es wieder klar. Der Nebel hat sich verzogen, doch der Wind ist geblieben. Costa, Gerrit und ich planen auf der Südseite nach windgeschützten Plätzen zu suchen. Doch Gerrits alter Volvo streikt und springt erst nach unkomplizierter Starthilfe vom Edelweißwirt an. Dabei machen wir Halt an einer der am Wegrand stehenden Schneefräsen und begutachten die Edelweißspitze von unten.
Die vierte Nacht
Gegen Abend geschieht das Wunder. Zeitgleich mit Eintreffen vom Münchner Sternfreund Christian flaut der Wind komplett ab. Wieder sind keine Wolken am Himmel zu sehen. Auch bemerken wir keine Nebeleinbrüche vom Süden. Wird das die erste wirklich perfekte Nacht? Zum Abendessen zeigt sich ein gigantischer Erdschatten, der es mit namibischen Verhältnissen aufnehmen kann.
Erdschatten Richtung Ost, das unbearbeitete Bild gibt
hervorragend den visuellen Eindruck wieder
Es ist Montag ... am Berg ist es sehr ruhig geworden, alle Touris haben den recht kalten Platz verlassen. Wir selbst sind auch nur noch zu viert. In der Dämmerung ist die schmale Mondsichel des zunehmenden Mondes zu sehen, stört aber nicht und geht etwa zeitgleich mit Ende der Dämmerung unter.
wolkenlos, windstill, perfekte Transparenz auf 2571m Höhe, extrem
ruhige Luft und 27" Öffnung ... wir sind wunschlos glücklich und warten auf die
Nacht
Der Bubble Nebel - NGC 7635 wird eingestellt. Die Blase ist bei 172x und [OIII] Filter regelrecht auffällig und fast komplett geschlossen zu sehen.
Was nicht für den schwachen Planetarischen Nebel Jacobi 1 gilt, von dem ich nichts sehen kann.
Die Nacht strebe ich außer ein paar wenigen Ausnahmen keine wirklich extremen Objekte an. Dafür fehlt mir der Antrieb. Eine gelungene Mischung aus hellen und bekannten Objekten mit interessanten Unbekannten soll heute das gesteckte Ziel werden ... weiter mit hell
NGC 5907, eine der Parade edge-on Galaxien. Knallhell im 27" zerfällt das Dunkelband und wirkt auf gesamter Länge unruhig. Doch wir achten nicht auf das kleinste Detail und lassen die Galaxie einfach Format füllend auf uns wirken.
Der Ehrgeiz geht wieder mit mir durch uns ich versuche die schwierige Zwerggalaxie UMi Dwarf. Kurzum ... ich kann rein gar nichts erkennen. Auch beim Schwenken mit max. AP und Gesichtsfeld fällt mir an der Stelle der Galaxie nichts auf.
Vor ziemlich genau 6 Jahren machte ich an gleicher Stelle einen "Palomar - Marathon" und beobachtete mit 16" etliche Kugelhaufen dieses Kataloges. Ich bekomme Lust ein paar dieser Objekte wieder einmal einzustellen, lang genug ist es her.
Palomar 11 ist sofort als heller, auffälliger Klecks im Übersichtsokular zu sehen. Höhere Vergrößerungen zeigen ein gutes Dutzend Sterne aus dem doch sehr reizvollen galaktische Kugelsternhaufen.
Ähnlich hell zeigt sich Palomar 12. Hier können aus dem leicht konzentriertem GC etwa 6-7 Sterne aus einem körnigen Hintergrund definiert werden.
Deutlich schwächer als die beiden Vorgänger präsentiert sich Palomar 10. Hier sind aus dem wieder körnigen Hintergrund nur 3 Sterne sicher greifbar zu machen.
Palomar 13, der Klassiker, der sich bei mäßigen Bedingungen auch gern mal ziert, ist bei der Durchsicht einfach indirekt zu sehen. Es zeichnen sich ähnlich wie bei Palomar 12 etwa ein halbes Dutzend Sterne ab.
Doch genug Kugelhaufen. Zeit etwas für die Augenpflege zu tun und ein paar Highlights des Himmels einzustellen. Eines davon, zumindest mit größerer Öffnung ist der "Fleischerhaken" ...
... NGC 7479. Grandios, wie einfach sich die feinen Spiralen um den auffälligen Balken winden. Der hellere Westarm ist fast komplett geschlossen zu sehen, sehr feines Objekt.
Ähnlich wie die superdünne Galaxie NGC 100. Im 16" damals etwas enttäuschend, beeindruckt die Galaxie um so mehr mit fast dreifacher Lichtsammelfläche. Ich schätze das Achsverhältnis auf 1:6. Die Nadel schwebt förmlich im Blickfeld, sehr reizvoll.
Ein kurzer Besuch bei NGC 45 enttäuscht ... wieder einmal. NO eines überstrahlenden 7mag Sterns ist der flauen Galaxie auf die schnelle nix besonderes außer einem unruhigen Außenbereich abzugewinnen.
Anders wie NGC 925, die sicher schon für einigen Ärger gesorgt hat. Zwar riesig, aber recht lichtschwach ziert sich das Galaxie meist ihre eng anliegenden und schwachen Spiralarme zu zeigen. Doch bei 27" zieht die zurückhaltende Galaxie klar den kürzeren. Die Spiralen kommen sofort zum Vorschein, gerade das helle Spiralarmfragment 3' W vom Zentrum.
Mit 16" im Rahmen des Arp - Galaxienprojektes
bereits beobachtet und gezeichnet steuere ich noch mal UGC 1810/1813 -
Arp 273 an. Wow, etwas ungläubig erfasse ich zügiger als gedacht die eng
anliegenden und sehr schmalen Arme von UGC 1810. Absoluter Geheimtipp mit
großer Öffnung!
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Ich bekomme Lust auf PN und stelle NGC 246 ein, der bei Freunden der Eigennamen auch unter Skull (Totenschädel) läuft. Einfach ein wunderbares Objekt, auch mit deutlich kleineren Öffnungen. Die für mittlere Teleskope herausfordernden Dunkellöcher im Inneren stechen förmlich ins Auge. Der über 4' große PN ist an seinen Außenschalen wild zerklüftet und steht mit UHC und 172x Format füllend im Weitwinkelokular. Ich kann mich kaum vom Anblick trennen und lasse Gerrit und Costa auch einen Blick drauf werfen.
Zeit für eine Pause. Es ist Mitternacht durch. Der Gegenschein ist direkt zu sehen und wirkt wie eine von unten beleuchtete hohe Wolke. Nach Osten ist der Gegenschein mit einer schmalen Brücke gut weiter zu verfolgen, das Zodiakalband. Gerrit und Costa sehen es ebenfalls ohne große Probleme. Der Himmel ist fantastisch. Mein SQM überschreitet die 21,6 magarcsec² und zeigt aufgrund der aus dem Messkegel heraus laufenden Milchstraße immer höhere Werte, die bis zum Einsetzen des Zodiakalscheins auf knapp 21,7 steigen.
links von Jupiter der helle Gegenschein ... das schwächere
Zodiakalband ist bis knapp unterhalb der Plejaden zu verfolgen
Nach etwas Ruhe, Schokolade und einen Kaffee geht es weiter ... wir haben noch gut 4 Stunden bis zur Dämmerung. Bevor ich mich einen richtig schweren Brocken nähere noch zwei Objekte der leichteren Kost.
Hickson 2 genießt
eine Sonderstellung, da 2 der Mitglieder bereits selbst Struktur zeigen ...
auch nicht unbedingt typisch für eine so enge Galaxiengruppe. UGC 312E zeigt erste Anzeichen von
Spiralstruktur und weist einen länglichen, unterteilten Zentralbereich auf, während UGC
312C einen deutlich versetzen Kern zeigt.
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Die prächtige Spiralgalaxie NGC 6946 - wegen ihrer besonderen Spiralstruktur auch unter Arp Nummer 29 geführt, zeigt sich von der denkbar schönsten Seite. Sofort sind 5 Spiralarme auffällig, wobei sich diese nochmal aufzuteilen scheinen. Ich nehme mir mit Gerrit den Superstarcluster NGC 6946-1447 vor, für mich der "Bohle SSC". Der massereiche junge Kugelsternhaufen ist einer der hellsten am Nordhimmel und nach eigenen Erfahrungen schon mit kleinen Öffnungen zu sehen. Mit 27" sticht dieser als heller, flächiger Knoten aus dem SW Arm. Bei höherer Vergrößerung sitzt eine etwa runde Fläche direkt W auf ein auffälliges stellares Objekte. Dieses stellare Objekt ist kein Vordergrundstern, sondern der hellste Haufen - der oben genannte NGC 6946-1447. Unvorbereitet schauen wir uns die anliegende schwächere Fläche an und entdecken innerhalb zwei weitere Aufhellungen. Eine Recherche zeigt, dass es sich dabei um zwei weitere SSC's handelt, LEE2002-1805 und LEE2002-1448.
Ich gönnen mir eine Pause, schnappe ein wenig Luft und tanke Kraft - die ich beim nächsten Objekt dringend benötige. Ein Objekt, was fast jeder aus Fotografien kennt, aber wohl zu den schwersten visuell am Himmel erreichbaren Objekten gehört. Die erfolgreichen und gescheiterten Beobachtungen streuen extrem. Zeichnungen mit 3" Öffnungen und Nichtsichtungen mit 20" unter hochalpinen Bedingungen lassen viel Platz für hitzige Diskussionen - ich muss mich selbst davon überzeugen ...
Simeiz 147 / Shain 147 oder auch Sharpless 2-240 ist Objekt der Begierde. Vorbereiten tue ich mich mit den klassischen Ha Aufnahmen, eine Wellenlänge die bekanntlich nicht vom Auge wahrgenommen werden kann, aber mit der Hß Linie gekoppelt ist. Des Weiteren nutze ich Ausdrucke aus den blaue POSS Platten und letztendlich [OIII], sowie Hß Aufnahmen des Emission Line Survey. Ausgestattet bin ich mit 95x (7,3mm AP), 172x (4mm AP), [OIII] und Hß Filter. Ich beginne nun im nicht ganz einfachen Wirrwarr voller Sternketten die hellsten Bereiche und Bögen abzufahren und jeweils jede Kombination von Vergrößerung und Filter durchzuprobieren. Sehr anstrengend und zeitintensiv. Ernüchterndes Ergebnis für mich ... außer einer kleinen Stelle kann ich absolut gar nichts erkennen oder wahrnehmen, noch nicht einmal vermuten. Das einzige Filament, was ich als Helligkeitskante sichten kann befindet sich bei 172-facher Vergrößerung und Einsatz vom [OIII] Filter direkt NW vom 14mag Stern GSC 1873685. Die Helligkeitskante zieht sich in NW Richtung auf eine Länge von etwa 3', eine Breite kann ich definitiv nicht bestimmen. Mit Hß verschwindet die Kante. Bei der Auswertung des Gesehenen fällt mir auf, dass genau an der Stelle eine geringe Sterndichte vorherrscht UND tatsächliche auf dem Emission Line eine [OIII] Kante vorhanden ist. Von erfolgreicher Beobachtung des über 3° großen Objektes kann bei einer Sichtung eines 3' langen Fragmentes nicht unbedingt gesprochen werden. Für mich ist das Objekt als ganzes visuell definitiv nicht zugänglich.
Die Beobachtung hat mich geschafft, ich muss durchatmen und vertrete mir ein wenig die Füße. Gerrit, Costa und Christian an seinen 20" sind eifrig bei der Sache. Wir genießen die Bedingungen. Teilweise werden schon Winterobjekte eingestellt ... Erinnerungen, die wir gern mit etwas Abstand an trüben Novembertagen Revue passieren lassen. Doch zunächst steht aus dem nichts Herr Lederer - der Edelweißwirt hinter uns. Mitgebracht hat er heißen Tee, eine Geste die nicht selbstverständlich ist und über die wir uns sehr freuen.
Messier 74 kommt gerade richtig. Die face-on Galaxie ist bekannt für die Schwierigkeit ihre Spiralarme visuell zu offenbaren. Mit 690mm Öffnung bereiten die Spiralen jedoch wenig Probleme. Auf die schnelle sind 5 Arme zu erkennen, der südliche Arm öffnet dabei am weitesten und wirkt sogar klar knotig.
Der Meropenebel zeigt sich dagegen einfacher. Wie schon mit 16", jedoch noch auffälliger zeigen sich die feinen Filamente, die direkt östlich von Merope von NW nach SO laufen und wie Stufen wirken. Einen kleinen Besuch statte ich noch Barnard's Merope Nebel IC 349 ab. Selbst mit dieser Öffnung nicht ganz einfach, aber nach Lokalisation der Position als leicht N-S elongiertes Objekt zu halten.
Etwas mehr
Aufmerksamkeit widme ich NGC
1614 - Arp 186. Ich habe es auf den schmalen Materieauswurf abgesehen.
Doch zunächst begutachte ich die Spiralstruktur, die überraschend einfach
und flächenhell zu sehen ist. Für den Auswurf habe ich keine detaillierte
Karte bereit und zeichne möglichst exakt die Länge und den Winkel eines sehr
schwachen, schmalen Schweifes, den ich in Richtung SW erahne. Die Auswertung
zeigt eine sehr gute Übereinstimmung des Gesehenen.
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Weiter zu einem fehlklassifizierten Planetarischen Nebel - Abell 11. In Wirklichkeit ein Reflexionsnebel konnte ich diesen mit 16" nie sichten. Anders mit 27". Der Nebel ist indirekt ohne große Probleme als kleine Fläche an exakter Position ständig zu halten, zeigt aber wie zu erwarten keine Details.
Die Luft ist raus. Es ist kurz vor 5.00 Uhr. Das Zodiakallicht dominiert den Osthorizont. Darin steht der aufgehende Löwe, ein schöner Anblick. Die anderen fahren bereits auch schon "Ausklingprogramm". Zusammen mit Gerrit und seinem 18" stellen wir ein weiteres schönes Paar ein.
NGC 2537 - die Bärentatzengalaxie zeigt im 18" bereits seine Tatzen und die hellste Kondensation im NW. Die Details werden erwartungsgemäß heller im 27", es kommen jedoch keine weiteren dazu.
Ähnlich verhält es sich mit der 17' SO stehenden Superthin Galaxie IC 2233 ... ein Paradeobjekt dieser Objektklasse. Bereits mit 18" steht diese superschmale Galaxie mit einem 3D Eindruck im Raum. Mit 27" scheint sogar das längliche Zentrum der geschätzten 1:10 Nadel etwas strukturiert zu sein.
Bei den Dünnen hängen bleibend, besuchen wir in der bereits fortgeschrittenen Dämmerung NGC 891. Wie gemalt stet diese vor den Vordergrundsternen. Klar und unproblematisch zeigt sich das ausgefranste Dunkelband auf gesamter Länge.
Die Nacht geht zu Ende. Wir bauen wie gewohnt im fahlen Licht ab. Die Dämmerung schreitet schnell voran. Wir begeben uns nach getaner Arbeit mit einem Bier auf den Aussichtsturm und beobachten die wechselnden Dämmerungsfarben. Zufrieden stoßen wir auf eine äußerst gelungenen Nacht an. Am gegenüber befindlichen Großen Wiesbachhorn (3564m) fangen die Spitzen an sich rot zu färben. Bald darauf leuchtet das komplette Bergmassiv in rötlichen Tönen ... nur noch wenige Minuten, bevor auch wir die ersten Sonnenstrahlen erhaschen können. Nachdem wir diese ein paar Minuten genießen, gehen wir zum Frühstück über und tanken danach Energie für die nächste bevorstehende Nacht.
die Dämmerung setzt ein, die letzten Sterne verschwinden - im
Hintergrund das 70km entfernte Dachsteinmassiv
Die fünfte Nacht
Auch die fünfte Nacht verheißt gutes. Die Müdigkeit der letzten Nächte steckt zwar in uns, wir sind aber guter Dinge diese für uns definitiv letzte Nacht zu nutzen und voll auszukosten. Wieder ist es wolkenlos und windstill. Die Fernsicht ist grandios.
letzte Sonnenstrahlen, v.l.n.r. Steinberge, Zeller See
(Vordergrund) genau darüber Watzmann (60km), Steinernes Meer
Der Monduntergang fällt auf eine Stunde nach Dämmerungsende. Wir entscheiden trotzdem früh genug aufzubauen und die Zeit bis zu völligen Dunkelheit abzuwarten. Diese Entscheidung stellt sich als richtig heraus - der Platz erstrahlt in einem fahlen, vollkommen ungewohnten Licht. Trotz bereits fortgeschrittener Mondphase zeigt sich die Milchstraße hell und strukturiert. Gerrit und Costa zeigen einer neugierigen Familie ein paar Highlights am Himmel ... es kommt die Frage auf, warum wir solche Strapazen auf uns nehmen und die Sterne gerade von hier aus beobachten. Gerrit fragt zurück ob sie die Nationalflagge der Ostfriesen kennen - weißer Adler auf weißem Grund - und erklärt unter heftigen Lachanfällen unsere Situation und die Wirkung eines aufgehellten Himmels. Kurz nach 21.00 verschwindet der Mond hinter den 3000'ern - es wird schlagartig dunkel, wir starten in die Nacht.
die Dämmerung beginnt - Teleskope sind einsatzbereit und warten
auf Sternlicht
Zum Aufwärmen ein paar helle NGC - PN. Das Seeing scheint wieder einmal exzellent zu sein. Die Feinjustage am Polarstern zeigt auch bei 837x einen ruhigen Doppelstern. Optiktester hätten Spaß am Intra- und Extrafokalen Bild des Meisterwerkes aus Werner Reimanns Hand. Wir haben es auch, aber nicht am Polarstern, sondern zunächst an ...
... NGC 6772. Der von einem rechteckig geformten Ring gebildete PN steht in einem sternreichen Gebiet des Adlers. Die eigenartig geformte Ringstruktur lässt sich hervorragend nachvollziehen. Der Ring wirkt klar strukturiert und bildet Wellen entlang seiner Achsen aus.
NGC 6778, ebenfalls Sternbild Adler ist deutlich kleiner, aber auch flächenheller und von der Morphologie ähnlich des Hantelnebels. Der bipolar wirkende PN weist in der Mitte eine deutliche Einschnürung auf, die beiden dickeren Knoten O und W davon unterscheiden sich leicht in der Helligkeitsverteilung.
NGC 6804 ist einer der schönsten PN im Adler und einer meiner Favoriten am gesamten Himmel. Um den auffälligen Zentralstern bildet sich zunächst ein ovaler Ring, der im 27" bei 419x ohne Filter klar strukturiert wirkt und zu den langen Seiten offen ist. Setzt man den [OIII] Filter ein wird die etwa doppelt so große Außenschale sichtbar.
Messier 57 wird anstandshalber auch noch ein kurzer Besuch abgestattet. Wie in den Vortagen ist der Zentralstern leicht direkt zu halten, während der zweite Stern innerhalb des Rings problemlos indirekt zu halten ist.
Nach einem kurzen Schwenk über den extrem zerfaserten Cirrusnebel und den mit Dunkelschläuchen durchzogenen Cocoon Nebel IC 5146 geht es an eine von mir besonders geliebte Objektkategorie - den Galaxienketten. Diesmal ohne Hickson oder Abell Bezeichnung sondern aus dem Katalog des russischen Astronomen Vorontsov Velyaminov, der ähnlich wie Arp ein Katalog über wechselwirkende Systeme erschuf.
VV 167, sogar im Arp Katalog unter der
Nummer 325 aufgenommen, besteht aus einer Kette von 5 Galaxien zwischen
16bmag und 18bmag auf einer Länge von nur 1,2'. Im Teleskop wird die Gruppe
durch die beiden zentral stehenden Galaxien dominiert, die direkt zu sehen
sind. Indirekt tauchen dann alle 3 weiteren Galaxien sicher auf, sodass der
Ketteneindruck eindrucksvoll rüberkommt ... faszinierende Gruppe.
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Danach ist etwas Verschnaufprogramm angesagt. Zwischen den harten Brocken gönne ich mir immer wieder "leichtere" Kost, was der Konzentration sehr zu gute kommt.
NGC 7814 ist bekannt für sein sehr zartes Dunkelband. Dieses ist im 27" fast frech breit zu sehen. Auf Grund der Helligkeitsverteilung der Galaxie selbst scheint dies in Richtung Zentralbereich schmaler zu werden. Costas 16" zeigt das Dunkelband ebenfalls, wenn gleich deutlich schmaler, aber dafür nicht weniger reizvoll.
Messier 76 - der Kleine Hantelnebel ist im 27" natürlich ein Kracher von PN, kein Vergleich zum langweiligen Ringnebel. Format füllend sind bei 366x bereits ohne Nebelfilter die Außenlobes auffällig komplett geschlossen. Mit Filter strotzt der PN nur vor Detail und wirkt wie eine lang belichtete Aufnahme des Objektes. Wir verweilen eine ganze Zeit am Objekt.
Christian kommt vorbei und spricht mich auf zwei Deep Sky Herausforderungen an, die wir gemeinsam angehen und überprüfen wollen. Es handelt sich in beiden Fällen um zufällige Paarungen von Planetarische Nebel und Galaxien.
Zunächst die feine edge-on Galaxie PGC 2201333, direkt bei dem PN Abell 4. Stathis berichtete bereits von einer erfolgreichen Sichtung mit 24". Christian (20") und ich (16") blieben in der Vergangenheit stets erfolglos. Doch so einfach kann es sein ... Abell 4 zeigt sich ohne Filter als helle, direkt zu sehende runde Scheibe, daneben (45" NW) ohne Probleme eine 1:3 elongierte Spindel, die "vermeintliche" PGC Galaxie.
Nicht ganz so einfach zeigt sich eine weitere "Begleitgalaxie". Prominenter "Wirt" ist der Helixnebel - NGC 7293. Auf tiefen Aufnahmen ist unmittelbar an dessen NW Rand eine kleine elongierte Galaxie zu erkennen, die auf den klingenden Namen 2MASX J22290968-2047179 bzw. 2MFGC 16944 hört und für die sich sogar Astrofotografen strecken müssen. Visuell schon mit dem 24" von Roland versucht und grenzwertig positiv gesehen gestaltet sich die Beobachtung ähnlich. Die Galaxie ist zwar visuell erreichbar, dies aber nur mit großer Mühe. Indirekt nicht zu halten blitzt an der richtigen Stelle immer wieder eine stellare Aufhellung durch. Für eine Elongation reicht schlichtweg die Helligkeit nicht.
Mitternacht ist knapp überschritten. Costa gönnt sich bereits eine Pause. Ich gebe mich einen gänzlich anderen Kontrastprogramm hin und steuere ein paar Planetenmonde an. Das Seeing ist hervorragend, sodass ich mit sehr hohen Vergrößerungen wie selbstverständlich arbeiten kann.
Zunächst Neptun, der selbst als kleine, etwa 2" große Scheibe zu erkennen ist. Mond Triton steht 12" entfernt und ist als 13,4mag Sternchen leicht direkt zu erkennen.
Interessanter wird die Beobachtung bei Uranus. Das immerhin schon knapp 4" messende, bläuliche Scheibchen zeigt keine klaren Auffälligkeiten. Dafür sind Ariel (14,3mag, 14"), Umbriel (15mag, 19") und Oberon (14,1mag, 21") leicht direkt zu sehen. Etwas schwieriger ist Titania (13,9mag, 8") auf Grund der Nähe zu Uranus, ist aber dennoch knapp direkt zu sehen. Leider steht der nur 16,5mag helle Miranda so dicht an Uranus (3"), dass mir eine Beobachtung nicht gelingt.
Bei Jupiter sind die Verhältnisse klarer verteilt. Hier geht es ein Schritt weiter in Richtung Detail auf den jeweiligen Monden. Die 4 galileischen Monde sind so groß, dass sich eine Detailbeobachtung förmlich aufdrängt. Gerade das große Scheibchen von Ganymed rückt in meine Aufmerksamkeit. Ich erkennen immer wieder eine nachvollziehbare dunkle Struktur, die in den Mond hineinragt. Schlussendlich versuche ich mich an den beiden Monden Thebe und Almathea. Mit 15,5mag und 13,9mag theoretisch kein Problem, praktisch aber auf Grund der Nähe zu Jupiter (1,3', 1,0') für mich nicht zu sehen.
Mitternachtspause ... Käffchen und Schoko
sind jetzt Objekte der Begierde. Während Costa schon wieder eifrig am Beobachten
ist, gönnen Gerrit und ich uns eine verdiente Pause. Die Kraft lässt merklich
nach, der Wille ist aber stärker ... kein Hobby für Fußföhner. Noch 4 Stunden
und eine Menge an Programmpunkten, die "abbeobachtet" werden wollen. Guter
Stimmung geht es wieder ins Freie. Die ganze Nacht schon sind im Süden auf den
ersten 3°-4° weit entfernte Wolken zu erkennen, die aber brav
zurückbleiben.
Das Seeing ist noch immer sehr stabil - das 3,5mm Okular ständig im Einsatz.
Sogar bei der sonst selten genutzten Barlow sind die Kappen unten.
Der "Blaue Schneeball" NGC 7662 knallt richtig im Okular. Die Innenschalen lachen einen entgegen. PN beobachten kann so einfach sein und so viel Freude bereiten. Die Fliers, durch Emissionsvorgänge besser definierte Außenkanten der Außenschale sind einfach zu sehen. Kein indirektes Beobachten, keine anstrengende Konzentrationsphasen mehr - 3,5mm Okular rein, schauen, sehen und genießen.
Trotz einiger Anstrengungen bleiben mir die Außenschalen der Galaxie NGC 470 - Arp 227 verborgen. Dafür zeigt der Nachbar NGC 474 deutlich Spiralstruktur.
Arp 31 - aka IC 167 zeigt sich genügsamer. Die recht flächenschwache Galaxie offenbart gutmütig ihre schwachen, aber gut sichtbaren Spiralarme, die sich fast halbkreisförmig um den etwas länglich wirkenden Kernbereich winden.
4,5° SO von Messier 33 befindet sich das oft übersehene Paar NGC 672 und IC 1727. Die beiden hellen und großen Galaxien wirken in jeder Öffnungsklasse wunderbar. Bei der NGC können die eng anliegenden Spiralen beobachtet werden, während die etwas eigenartige (nach Arp: "peculiare") IC ein gemottelten, länglichen Zentralbereich aufweist, um den sich ein etwas verdrehtes Halo befindet.
Nach der leichten Kost sind Augen und Sehnerv wieder warm und können "auf Last" laufen gelassen werden. Gerade richtig für eine schöne Galaxiengruppe, die ich mir extra bei gutem Seeing vornehmen wollte ...
... Hickson 26. Auf den POSS Platten
völlig wild aussehend steuere ich das Septett aus "PGC Glanzlichtern" an.
Zunächst ist ähnlich wie bei Hickson 18 ein länglicher Strich zu sehen, um
die sich für mich sichtbar insgesamt 5 Galaxien tummeln. So eigenartig die
Gruppe auch ist, so groß fällt auch ihr Reiz aus.
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Mit engen und 17bmag+ Galaxien soll nun Schluss sein. Ich stelle einen meiner Lieblinge am Spätherbsthimmel ein ...
NGC 1535 - Cleopatras Auge. Bei 837x
gefällt mir dieser Planetarische Nebel so gut, dass ich das letzte Mal den
Zeichenstift zücke. Besonderheit nach längerer Beobachtung sind die radialen
Strukturen, die von der inneren Schale in Richtung Zentralstern zeigen.
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Eigentlich als Erholung eingestellt, haut mich das nächste Objekt fast von der Leiter. Mit letzte Kraft schaffe ich es eine Art Jubelschrei loszuwerden. Helfende Augen eilen sofort herbei ...
Der Eskimonebel - NGC 2392 begeistert uns restlos. Bei 837x und später 1172x übertrifft das Objekt alle Erwartungen. Allein die Deutlichkeit des "Mundes" innerhalb der nördlich spitz zulaufenden Innenschale fasziniert mich. PN Kenner wissen um die Schwierigkeit dieses Details. Einer der wenigen die dieses Detail schon sehen hat dürfen war wohl Daniel Restemeier ... am 112cm Newton in Melle. Doch jetzt und hier steht es vor einen, grinst einen rotzfrech an, als ob es niemals gefehlt hätte. Ich kann mich kaum beruhigen und das um die Uhrzeit. Überraschenderweise zeigt Gerrits 18" bei über 700x ebenfalls das Detail, wenn auch nicht so krass wie im großen 27".
Der Intergalaktische Wanderer NGC 2419, aktuell der an der 5. Stelle rangierende Galaktische Kugelsternhaufen was die Entfernung von der Sonne und dem Galaktischen Zentrum angeht, ist immer wieder ein Besuch wert. Der kaum konzentrierte Haufen zeigt sich komplett körnig und steht kurz vor der Auflösung. Der hellste Einzelstern weist eine Helligkeit von 17,3mag auf und ist damit in Reichweite des 27".
Etwas schwieriger ist der Konusnebel, an dem ich mir jahrelang die Zähne ausgebissen hatte. Mit Hß Filter startet 2' SO vom 7mag hellen HD 47887 eine als dunkler und relativ schmaler Dunkelschlauch wahrnehmbare Struktur, die etwa 8' in SO Richtung verfolgt werden kann. Die Ostkante ist dabei etwas besser definiert. Immer noch nicht wirklich einfach zu erkennen wie ich finde, aber klar als Dunkelnebel auszumachen.
Ab jetzt ist wirklich Genussprogramm angesagt. Die Sehmaschinen müssen langsam runter gefahren werden, sehr langsam. Es ist bereits nach 4.00 Uhr. Costa baut ab, Gerrit und ich wanken um die Teleskope. Von Christian hört man auch nicht mehr das meiste. Zusammen und parallel mit Gerrits 18" fahren wir einige Messiergalaxien an.
Messier 81 ist bereits im 18" sehr beeindruckend und wirkt mit seinen hellen Außenspiralen riesig. Die Galaxie nimmt über 20' am Himmel ein. Im 27" ist man regelrecht geblendet. Der Hauptkörper überstrahlt fast die gesamte Peripherie. Die Spiralarme bestehen aus einer Aneinanderreihung von HII Regionen.
Messier 82 wirkt wild zerklüftet. 18" wie auch 27" beeindrucken beide.
Meine Lieblingsmessier Messier 108 beeindruckt ebenfalls mit enormer und kaum zu beschreibender Detailvielfalt. Wir suchen nicht nach dem letzten Sternhaufen oder HII Region sondern lassen die Objekte einfach nur so auf uns wirken.
Abschlussobjekt ist Standesgemäß der Orionnebel. Wie man sich vorstellen kann kaum zu beschreiben. Selbst eher farbunempfindliche Beobachter wie mir fallen die kritzegrüne Färbung der Huygens - Region und die weinrote Färbung der Schwingenkanten auf. Die Details die man gerade aus der Huygens - Region kennt sind nicht wieder zu finden, da diese wiederum unterteilt und zerfasert sind. Ein unglaubliches Objekt.
Die Dämmerung ist bereits weit fortgeschritten. Hundemüde packen wir unsere Teleskope zusammen und köpfen unser letztes Bier. Kalter Wind kommt auf. Doch der ist uns jetzt egal. Wir stellen uns schützend hinter den Aussichtsturm und lassen die Farben auf uns wirken. Wir stoßen glücklich auf die gelungenen Nächte an. Noch vollkommen aufgewühlt gönnen wir uns ein paar Stunden Schlaf.
Zodiakallicht am morgendlichen Osthorizont, im Süden leichte
Zirren und die visuell kaum sichtbare, 120km entfernte Poebene
Bei der Abreise am frühen Morgen stellen wir fest, dass der Wind die im Süden stehenden Zirren zu uns getrieben hat. Jetzt stören sie uns nicht mehr ... nochmal Glück gehabt. Geschafft und zufrieden reisen wir ab ... und verbleiben mit freundlichen Grüßen.
letzter Blick auf den noch leeren Parkplatz der Edelweißspitze
Schlussendlich vielen Dank an Ralph Muth, Costa und Friedl für die tollen Bilder!