Herbstnächte im Hochgebirge
September...der ideale Monat um die perfekten Beobachtungsstandorte an der Großglockner-Hochalpenstraße aufzusuchen. Was in den vergangenen 4 Jahren erfolgreich geklappt hat, soll nun auch funktionieren.
Blick auf das Wallackhaus (2304m) auf der
Südseite der Großglockner-Hochalpenstraße, im Hintergrund die Schobergruppe
Nachdem pünktlich für den alljährlichen Alpentrip Urlaub genommen wurde, zeichnete sich dann tatsächlich nach Durchzug einer Schlechtwetterfront mit Neuschnee bis auf ca. 2000m hinab Wetterglück ab. Die Vorbereitungen für 2 Nächte waren bereits getroffen. Nach einem Anruf in das 600km entfernte Osnabrück fiel die Entscheidung für den Glockner...es konnte losgehen. Gerrit traf am späten Nachmittag des 12. September in Miesbach ein, pünktlich für eine Tasse Kaffee. Auf der Fahrt Richtung Glockner lichteten sich die Wolken immer mehr. Wie vorhergesagt zeigte sich das Wetter jeden Kilometer südlicher ein Tick besser. Die Fahrt durch den Hochtortunnel, der neben der Landesgrenze zwischen Kärnten und Salzburg auch oft die Wetterscheide darstellt offenbarte dann einen wolkenlosen und blauen Himmel. Die bereits im Wallackhaus angereisten Roland, Timm und Rainer wurden kurz begrüßt, schnell einen Happen gegessen, ehe es in Richtung Edelweißspitze ging.
Die erste Nacht...
...fängt vielversprechend an. Restwolken
verzogen sich und zeigten auch auf dem Parkplatz der Edelweißspitze einen
wolkenlosen Himmel. Nach Einbruch der Dämmerung wurden am 24" bereits erste
Objekte eingestellt, bis wir uns von einer Sekunde auf die andere in Mitten von
Wolken befanden, die aus dem nichts mit der Nordströmung aus dem Tal aufstiegen. Ein Abbruch auf der Edelweißspitze wurde unumgänglich und so
verzogen wir uns auf die Südseite der Hochalpenstraße. Etwas unterhalb des
Wallackhauses bot uns eine Liftgebäude ausreichend Schutz vor dem unangenehmen
Fallwinden vom Hochtor.
Schnell wird klar, dass es sich um eine durchschnittliche Nacht am Glockner
handelt. Durchschnitt heißt hier Grenzgrößen jenseits der 7mag, das SQM Gerät
zeigt um Mitternacht 21,58 mag/arcsek². Das Seeing ist aufgrund der Fallwinde
schlecht, die Sterne flackern bereits mit dem Auge heftig.
Nichts desto trotz fange
ich bei Terzan 8 an, einen schwachen Kugelsternhaufen entdeckt vom
Armenier Terzan, der Mitte der 60'er Jahre in Frankreich bei der
Durchmusterung des Galaktischen Zentrums insgesamt 11 Kugelsternhaufen fand.
Terzan 8 befindet sich auf -34 Deklination und ist im 16" als schwache,
leicht konzentrierte Fläche problemlos auszumachen. Das schlechte Seeing
verhindert das Beobachten von Einzelsternen innerhalb des Haufens.
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Der schwache und große PN Kohoutek 2-7 ist trotz aller Bemühungen nicht eindeutig festzunageln. Mehr als eine Vermutung von schwachen Nebelausläufern ist nicht zu beobachten.
Ganz anders verhält sich
der bekannte Helixnebel NGC 7293. Bereits im freihändig gehaltenen
8x30 Fernglas ist der Nebel problemlos als kleines Scheibchen auszumachen. Was sich
16" bei mittlerer AP zeigt ist kaum zu umschreiben. Nach insgesamt 4 Stunden
Beobachtungszeit zeigt sich der Helixnebel voller Struktur mit einigen
Sternen innerhalb der Nebelhülle. Spektakulärstes Detail ist ein schmales
Filament, welches sich leicht gebogen von der Nordwestkante des PN nach Norden
zieht. Eine Beobachtung des Halos und der direkt am Nordwestende stehenden
Galaxie gelingt nicht. Hier schafft in der nächsten Nacht der 24"
Abhilfe.
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Der Himmel ist tiefschwarz. Dazwischen die wild flackernden Sterne. Die Milchstraße ist wild zerklüftet. Milchstraßenabschnitte sind bis zum Polarstern zu sehen. Auch die schwachen Bereiche im südlichen Schlangenträger um den großen Dunkelnebelkomplex Pfeifennebel sind zu sehen. Das SQM zeigt Werte an die 21,7, die Temperatur beläuft sich knapp um den Gefrierpunkt. Kein Wetter für kleinen PN, dafür...
...für große Objekte wie
Zwerggalaxien. Eine dankbarer Geselle ist das WLM-System, benannt
nach seinen Entdeckern Wolf, Lundmark und Melotte. Die im Vergleich zur
Milchstraße relativ massenarme Galaxie umkreist unsere Milchstraße und
gehört so zur Lokalen Gruppe. Die Galaxie ist problemlos als ca. 3'x10'
Aufhellung zu sehen. Besonderheit hier ist der relativ leicht zu beobachtende
Kugelsternhaufen WLM 1, sowie die weitaus schwächere HII Region HM
9 innerhalb der Galaxie. Witzigerweise stellt sich im Nachhinein
heraus, dass Jens Bohle diese Galaxie mit Kugelsternhaufen in der selben
Nacht und nur etwa 15km südlicher mit seinem 20" Teleskop beobachtete.
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Die hervorragende
Durchsicht lässt auch die sonst eher undankbare Galaxie Messier 74
zum Prachtobjekt werden. Anders wie auf tief belichteten Aufnahmen zeigt sich
die Spiralstruktur nur ansatzweise. Selbst eine Beobachtung mit 24" vor
2 Jahren brachte kaum Verbesserungen. Die einzig klar nachzuvollziehende Struktur
ist der Südarm, der sich leicht von der Galaxie absetzt. Innerhalb des Arms
sind mit zwei visuell zu erfassenden Aufhellungen die beiden hellsten HII
Regionen zu beobachten. Innerhalb der Galaxie ist die Spiralstruktur lediglich
durch Dunkelgebiete zu erahnen.
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Nachdem die Konzentration nachlässt und ich mich bereits relativ zeitaufwendig den vorgestellten Objekten gewidmet hatte, lassen Gerrit und ich die Nacht mit einigen Paradeobjekten ausklingen. Der aufgehende Orionnebel darf wie auch der Standard-PN im Orion Abell 12 nicht fehlen. Dieser ist eine leichte Beute für den 10" von Gerrit....oder soll ich sagen Daniel.
Die zweite Nacht...
...scheint nach einem
herrlich sonnigen Tag sehr gut zu werden. Die Trockenheit und wenig Staub in den
unteren Athmosphärenschichten lassen die Sonne ohne Hof zu bilden mit einem
Finger abdecken.
Frühzeitig brechen wir in Richtung Edelweißspitze auf. Es ist windstill, die
Temperaturen angenehm. Während wir das Farbschauspiel des Erdschattens bewundern
bauen wir die Instrumente auf. Die Dämmerung kommt schnell und ich starte die
nächtliche Beobachtungen ähnlich wie am Vortag mit einem Kugelsternhaufen...
Terzan 7 liegt
dabei bei knapp -35° Deklination sehr tief. Das Seeing ist aber deutlich
besser als am Vortag, sodass ich am Rand des körnig wirkenden
Kugelsternhaufens 4 Sterne sehen kann. Der Kugelsternhaufen selbst ist ohne
Schwierigkeiten indirekt zu halten, wirkt annähernd rund und ist zur Mitte
hin leicht konzentriert.
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Das in niedriger Höhe
vorherrschende gute Seeing lässt mich den PN Dengl-Hartl 3 versuchen.
Dieser schwache, auf [OIII] Filter lediglich mäßig gut reagierende PN
erscheint als kleine runde Scheibe ohne weitere Details.
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Der Himmel wirkt fantastisch. Auf dem etwa 5m hohen Turm, mitten auf der Edelweißspitze, kann man die durch den Zenit laufende Milchstraße mit einem annähernd perfekten Horizont auf sich wirken lassen. Es stellt sich eine räumliches Gefühl ein...ein Blick in die eigene Kinderstube, unserer Galaxie. Das SQM Gerät zeigt kurz vor Mitternacht mit 21,5 leicht schlechtere Werte als am Vortag. Das gute Seeing gleicht dies am Objekt wieder mehr als aus.
Ich stelle mit dem Paar
NGC 6907/6908 ein sehr interessantes Objekt am Himmel ein. Auf
Fotografien scheint NGC 6908 als eine in Sichtlinie zu NGC 6907 stehende,
weiter entfernte Galaxie zu sein. Neue Messungen zeigen aber einen
gravitative Wirkung des Paars auf, NGC 6908 steht also eng vor oder hinter
dem nordöstlichen Spiralarm von NGC 6907. Im 16" ist NGC 6908 bereits als
Aufhellung in dem angedeuteten Spiralarm zu beobachten. Klarer wird die
Situation im 24", in dem sogar die Elongation des Begleiters NGC 6908
einwandfrei zu erkennen ist...ein wunderschönes Paar.
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Zurück an den 16" beobachte ich kurz Hickson 90, dessen Zentrum aus den Mitglieder NGC 7172, 7173, 7174, 7176 bestehen. Das Staubband innerhalb NGC 7172 ist angedeutet, das Wechselwirkende Trio NGC 7173, 7174 und 7176 erscheint als enges Knäuel, wobei die beiden NGC 7174 und 7176 visuell verschmelzen.
Zurück zu den PN stelle
ich Bohm Vitense 3 ein. Dieser schwache PN wirkt ideal mit UHC Filter
und mittleren AP. Das runde und homogene Erscheinungsbild wird nur durch
eine schwache Aufhellung an dessen südwestlichen Ende unterbrochen.
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Zeit für ein paar Objekte in Rolands 24". Überrascht bin ich über den krassen Sprung vom Crescent Nebel NGC 6888 von 16" auf 24". Hier zeigt sich ein ganz anderes Blickfeld, Strukturen und Filamente innerhalb der Bögen schälen sich heraus. Ähnlich groß ist der Sprung bei den HII Regionen in NGC 6822 - Barnards Galaxie. Förmlich hell zeigen sich IC 1308 alias Hubble X, sowie Hubble V. Die im 16" zwar sichtbaren, aber sehr schwachen Regionen Hubble I und III, sind ebenfalls problemlos direkt anzufahren. Neben weiteren Beobachtungen wie den Zentralstern in M 57 ist die überraschenste Beobachtung...
...das Halo vom Hantelnebel M 27. Dieses äußere Gebilde wurde von mir zwar schon einige Male schwach mit 14" und 16" beobachtet, dass das Halo aber mit [OIII]-Filter direkt als auffälliges Detail wie selbstverständlich an M 27 hängt, beeindruckt mich enorm. Das Halo startet von einem 5' nordwestlich vom Zentrum stehenden 13mag Doppelstern und zieht sich davon als etwa 1'-2'breites Filament etwa 8' lang in südwestliche Richtung hinaus. Diese Schale steht also als Filament einiges über dem hellen Zentralkörper von M 27 selbst.
Visuell nicht ganz so beeindruckend, dafür aber nicht uninteressanter ist Zwicky's Cartwhell Galaxie, bekannt geworden durch die Hubble Aufnahme, die vor Jahren noch als Bild bei mir an der Wand hing. Diese schwache, mit -34° Deklination auch sehr tief stehende Galaxie ist nach einiger Mühe per Starhopping im 24" gefunden. Die Hauptgalaxie ist schwach aber eindeutig bei mittleren Vergrößerung als runde, ca. 1' im Durchmesser messende Fläche auszumachen. Die beiden eigentlich helleren Begleiter wirken schwächer und sind nur mit Mühe als zwei kleine Aufhellungen dicht am Nordostrand zu beobachten.
Immer noch am 24" beschäftigt gehen ich dem Helixnebel, den ich am Vortag ausgiebig beobachtet habe noch mal genauer zu Leibe. Der Nebel an sich ist zwar heller, ein großer Sprung zum 16" ist aber nicht festzustellen. Wie erwartet ist auch mit 24" das Halo nicht zu beobachten. Dafür die sehr schwache, etwa 8' vom Zentrum des PN in nordwestlicher Richtung befindliche Galaxie mit dem spannenden Namen 2 MASX J 22290968-2047179, für die es auf Grund ihrer Lage innerhalb der Nebelbereiche des PN keine zuverlässigen Helligkeiten gibt. Im Gegensatz zum 16" ist die Galaxie im 24" dann tatsächlich als sehr schwache Aufhellung zu sehen. Indirekt kann aber trotz der großen Öffnung die Galaxie weder von mir noch vom Mitbeobachter ständig gehalten werden. Helligkeit schätze ich gegen 18 bmag, also 17 vmag.
Zurück zum eigenen 16" stelle ich mit IC 51 mal wieder eine Arp Galaxie ein. Arp 230, die der Untergruppe "Konzentrische Ringe" eingeteilt ist, wirkt als 3:2 nordöstlich - südwestlich elongiertes Objekt. Die "Ansätze" daraus sind sehr schwach zu erahnen.
Ähnlich wie die Spiralen bei NGC 210. Diese sind zwar gerade im westlichen Bereich als unruhige Struktur innerhalb der Galaxie zu erahnen, sind aber zu eng und schmal für eine einwandfreie visuelle Beobachtung.
Die Galaxiengruppe Hickson 22 um NGC 1199 ist nicht ganz so spektakulär, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Mit NGC 1189, 1190, 1191, 1192 und 1199 sind jedoch alle 5 Mitglieder zu sehen.
Dankbarer und schöner
ist als letztes Objekt der Nacht die Galaxiengruppe Hickson 94 um
NGC 7578A/B. Gerade die nur wenige Bogensekunden nordöstlich eines 15mag
Sternes sitzende PGC 70936 ist als schwacher und sehr kleiner Klecks zu
beobachten.
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Gegen 5.00 Uhr ändert sich
langsam das Bild des Himmels. Das Zodiakallicht verliert seinen Kontrast zum
Himmelshintergrund, am Nordosthorizont fängt es an zu dämmern.
Nun geht es schnell, die Bergspitzen tauchen immer markanter auf, die Farben
ändern sich von schwarz in ein tief dunkles blau. Am Nordosthimmel ist der 70km
entfernte Dachstein zwischen den Bergspitzen der Tauern zu erkennen.
Dämmerung von der Edelweißspitze mit Blick
nach Nordost, im Hintergrund der 70km entfernte Dachstein
Neben dem mittlerweile hoch stehenden Mars dominiert die Venus am Morgenhimmel. Im Fernrohr ist eine 44" große, zu etwa 19% beleuchtete Phase zu sehen.
Morgenstern Venus strahlt hell über dem
Osthorizont
Der im Westen auftauchende Erdschatten kündigt den baldigen Sonnenaufgang an.
Erdschatten am Morgen, Im Vordergrund der
Parkplatz auf der Edelweißspitze
Sonnenaufgang von 2571m Höhe auf der
Edelweißspitze
Mit Sonnenaufgang packen wir die letzten Sachen, suchen noch die verloren gegangenen Naglerokulare und fahren zurück in Richtung Wallackhaus, wo bereits das Frühstück auf uns wartet. In der nächsten Nacht kann nicht mehr beobachtet werden. Stattdessen werden in gemütlicher Runde die beiden vergangenen zwei Nächte ausgewertet...mit dem Entschluss wiederzukommen.
Nach Durchzug einer Schlechtwetterfront klart es jedoch wieder auf. Zwei weitere Nächte können am heimischen Sudelfeld genutzt werden.
In der dritte Nacht...
...finden Friedl und ich uns am 1200m niedriger gelegenen Sudelfeld ein. Anfangs ist es sehr feucht. An Beobachten ist nicht zu denken. Doch je später die Nacht, desto besser wird die Durchsicht.
Erstes Objekt bei nicht
optimaler Durchsicht, dafür aber sehr gutem Seeing ist der extragalaktische
Kugelsternhaufen Mayall II, oder auch G 1 genannt. Der
Kugelhaufen ist eines der hellsten Exemplare die sich innerhalb der
Andromedagalaxie befindet. Trotz physikalischem Zusammenhang befindet sich
Mayall II knapp 3° südwestlich des Zentrums von M 31. Der Kugelsternhaufen
selbst ist einfach zu sehen. Zwei eng benachbarte Sterne ähnlicher
Helligkeit ermöglichen bei hoher Vergrößerung von 600x die direkte
Wahrnehmung des flächigen Charakters.
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Mit Cygnus A als nächstes Objekt hangeln wir uns mit mäßigem Kartenmaterial, dafür aber allerlei Tricks zum fraglichen Objekt vor. Dieses ist mit 16" zwar sehr schwach, aber sicher zu beobachten. Indirekt ist die Galaxie jedoch nicht ständig zu halten. Die Helligkeit schätze ich deswegen auf etwa 15,5 vmag.
Gegen Mitternacht ist der Nebel ins Tal gesunken und bedeckt die Lichter des Inntals. Die Bedingungen sind auch für den Platz als sehr gut einzustufen. Der Gegenschein ist problemlos zu sehen...so macht es Spaß.
In der vierte Nacht...
...beobachten Friedl und ich wieder am Stammplatz. Die Durchsicht ist wie gewohnt gut, dass Seeing schlecht. Bei trockenem, windstillem Wetter und Temperaturen gegen 10°C wird die Nacht zwar kurz aber angenehm.
Gegen Mitternacht brechen wir auf, ein kurzer Schlaf bevor es in die nächsten Arbeitswoche geht...eine insgesamt gute "Ausbeute" für den Wonnemonat September.