Weitfeld Newton 110/440

Sinn und Zweck eines 110/440...

...oder, warum überhaupt ein solches Teleskop?
Eines der wichtigsten Argumente ist das maximal erreichbare Gesichtsfeld. Durch ein Gerät mit etwa 440mm Brennweite erhält man mit 2" Okularen ein Feld von knapp 5° am Himmel. Das entspricht 10 Monddurchmesser. Somit sind sehr großflächige Deep-Sky Objekte, große Kometen oder auch Konjunktionen visuell erreichbar und nachvollziehbar.
Ein weitere großer Vorteil ist die Kompaktheit eines Gerätes dieser Größe. Schnelle Auskühlzeiten und kurze Bauweise erlauben einen schnellen Einsatz auf sehr einfachen Montierungen oder Fotostativen.
Derzeit günstig angebotene Newton 114/450 eigene sich daher als ideale Ergänzung für größere Teleskope. Da die Mechanik jedoch nicht auf 2" ausgelegt ist und sie nicht meinen Ansprüchen an Stabilität und Innenschwärzung genügte, baute ich das fertig gekaufte Teleskop um. Aber dazu weiter unten mehr...


 
Der Tubus:
Der Originaltubus ist zwar leicht und kompakt, mit 0,5mm dünnen Blech jedoch nicht gerade stabil ausgelegt.
Im Baumarkt angebotene so genannte "KG-Rohre", gedacht für Abwasserleitungen schaffen da einfache und günstige Abhilfe. Ein KG-150 Rohr ist mit einem Tubusinnendurchmesser von 152mm  und einer Wandstärke von etwa 4 mm zwar etwas größer als nötig, eignet sich aber ideal als Tubus. Das Material ist sehr gut mit Stichsäge, Flex, Bohrmaschine oder Feile zu bearbeiten.
Für große mechanische Beanspruchungen sind auch KG-Rohre mit dickeren Wandstärken als "Wandverstärkte KG-Rohre" im Handel zu bekommen. Gängige Rohre tun aber sehr gute Dienste und erweisen sich als ausreichend stabil.
Als Finish habe ich strukturierte, silberne Klebefolie verwand, die sich als Recht stabil herausstellt und das lästige Anstreichen des Tubus überflüssig macht.

Der Okularauszug (OAZ):
Um möglichst dicht an den 34mm messenden FS zu kommen und somit das ausgeleuchtete Feld so groß wie möglich zu halten empfehlen sich kurz bauende Helical-Auszüge besonders. Da ich noch einen Neuman - Helical zu Verfügung hatte, entschied ich mich für diesen. Als Befestigungsblech dient hier ein 1,5mm starkes Stahlblech aus einem ausgedienten Ablagedreieck eines Stativs. Zugeschnitten auf 90x90 mm ragt es 10mm in den Tubus und vignettiert somit nicht.


 
Blenden/Innenschwärzung:
Zusätzliche Blenden eigene sich nicht nur zur Streulichtunterdrückung sondern auch zum Ausgleich leichter Differenzen der runden Form des Rohres und zur Steigerung der Stabilität. Ich entschied mich für 2 zusätzliche Blenden, einmal an der Tubusfront und zum zweiten auf Höhe der später sitzenden Rohrschelle. Die mit einer Oberfräse (eine Stichsäge tut es sicher auch) aus 20mm starken Multiplexholz auf exakte 152mm Kreise gefrästen Blenden wurde nachträglich genau wie der OAZ mit Schultafelfarbe matt schwarz gestrichen. Die restlichen Bereiche wurden mit schwarzer Velour-Selbstklebefolie ausgekleidet.
Inklusiv aller Blenden, dem schwereren OAZ und der neuen HS -Halterung wiegt der gesamte Tubus knapp 3kg.

 
Die Hauptspiegelzelle:
Zu fassen ist ein etwa 115mm messender Hauptspiegel mit 15mm Dicke. Die Originalfassung ist mechanisch gut ausgelegt, passte aber nicht in den neuen Tubus.
Grundlage der neuen Fassung ist ein 2mm starkes 140x110mm Stahldreieck aus dem Baumarkt, welches für Verbindungen im Dachbau gedacht ist. Darauf habe ich den Hauptspiegel auf seine Flächenhalbierenden (ca. 70% des Radius vom Spiegel) mit 3 Silikonpunkten geklebt. Die Punkte sind etwa 2cm breit und 3mm hoch. Das oft verwendete Programm "Plop" zur Berechnung von Punkten für Hauptspiegelzellen gibt hier die 3 Punkte weiter in Richtung der Mitte des Spiegels an. Ich hab mich trotzdem für die Flächenhalbierende entschieden, weil mir diese Konstellation günstiger vorkam.

Gehalten wird das Dreieck mit Spiegel von 3 M4 Schrauben, die mit Druckfedern ausreichend stabil gegen gehalten werden. Justiert wird nur mit 2 Rändelschrauben. Die Dritte Schraube ist fest. Dieses System (kommt aus der Vermessung und schimpft sich "Freiberger-System") hat den großen Vorteil, dass der Spiegel relativ zu der Basis der Justierung immer gleich weit entfernt ist und sich somit der Brennpunkt nicht verschiebt, was für knapp kalkulierte Okularauszüge wichtig sein kann.
Fangspiegelhalterung:
Diese habe ich so belassen wie vorgefunden. Das System ist mit drei fummeligen Imbusschrauben zwar nicht optimal einfach zu justieren, ist aber so justierkonstant, dass sowieso nur noch am Hauptspiegel etwas am Stern nachjustiert werden muss. Die Fangspiegelstreben habe ich verlängert und die Maße kopiert. Der originale Tubus eignete sich mit seinem 0,5mm starken Blech hervorragend für die Arme. Geschwärzt wurde wieder mit schwarzen Schultafellack.

Rohrschelle:
Da die vorhandenen Schellen für 130mm Tuben ausgelegt waren, passten diese auch nach Aufbiegeversuchen nicht an den 160mm messenden Tubus. Daher fräste ich aus 3cm Multiplex eine Rohrschelle, die den Tubus ausreichend stabil hält (siehe Bild ganz oben). Schwachpunkt ist nicht etwa die 1cm messende Stärke des eigentlichen Ringes, sondern die 1cm starken Winkel für die Knebelschraube. Die sollte etwas stabiler ausgelegt werden, da genau hier die größten Kräfte und somit die größten Verbiegungen auftreten.